Asbest: Diese Änderungen bringt die TRGS 519
Die neue TRGS 519 - Ausgabe Januar 2014 in der Fassung vom 17.10.2019 ist nach Ansicht der Asbest Akademie trotz jahrelanger Diskussionen nicht der große Wurf. Kann er auch gar nicht. Was hierzu fehlt ist eine längst überfällige Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), welche bisweilen auf sich warten lässt. Die Änderungen und Ergänzungen der neuen TRGS 519 sind überschaubar und als Reaktion auf "neue" Fundstellen im Bausektor zu sehen.
Dennoch weist die neue TRGS 519 eine Richtung auf, die den Umgang sowie die damit einhergehende Qualifikation mit diesem Gefahrstoff einschlägig verändern wird. Die Änderungen treten 6 Monate nach Veröffentlichung (also ab Ende März 2020) in Kraft.
Warum die TRGS 519 überarbeitet wurde
Für die Überarbeitung der GefStoffV gab es nicht den einen Grund, vielmehr war es eine Kombination aus Erkenntnissen bezüglich "neuer" Fundstellen asbesthaltiger Materialien (Putze, Spachtelmassen, Fliesenkleber & Bodenbeläge) sowie einer Abkehr von der geltenden Expositions-Risiko-Beziehung. Diese war im Wesentlichen von der Art der Asbestbindung (fest- & schwachgebundene Produkte) abhängig. Weiterhin drängten einige Berufsverbände vehement auf eine Vereinfachung bzgl. der Qualifikation bei Instandhaltungsarbeiten, welche zukünftig zu höherer Rechtssicherheit führen soll.
Die gesetzgebende Instanz will mit der neuen GefStoffV weg von der theoretischen Betrachtung, dass schwach gebundene, asbesthaltige Materialien - unabhängig von den eigentlichen, tatsächlichen Tätigkeiten - ein höheres Faserfreisetzungspotential haben als fest gebundene Produkte. Die Asbest Akademie begrüßt diese Sichtweise, denn diese "verpauschalisierte" Risikobetrachtung führe in der Praxis zu falschen Annahmen und spitze im schlimmsten Fall eine Verharmlosung der festgebundenen Produkte bei den jeweiligen Tätigkeiten zu. Insbesondere bei Instandhaltungsarbeiten mit Putzen, Klebern und Spachtelmassen, welche derzeit im Rahmen des nationalen Asbestdialoges heiß diskutiert werden, könne diese simple Differenzierung nicht mehr herangezogen werden.
Nationaler Asbestdialog greift Asbest-Problematik auf
Der nationale Asbestdialog vereint einen Großteil der betroffenen Branchenverbände, Institutionen und öffentlichen Instanzen um neben einer Sensibilisierung aller am Bau Beteiligten für Risiken durch die bislang wenig beachteten Asbest-Altlasten in Klebern, Putzen und Spachtelmassen auch eine Diskussionsplattform für Bewohner, Nutzer, Mieter und die am Bau Beschäftigten rund um die Risiken des hoch krebserregenden Gefahrstoffes zu erreichen.
Ziel des nationalen Asbestdialoges soll es sein, in einem transparenten, ergebnisoffenen Prozess in drei aufeinander abgestimmten Dialogforen Themen wie Sensibilisierung und Aufklärung, Erkundung und Anforderungen bei Instandhaltungsarbeiten und weiteren relevanten Tätigkeiten genauso wie Fragen der Optimierung von Rechtsetzung und Vollzug zu diskutieren um hieraus konkrete Ergebnisse ableiten zu können.
Änderungen der neuen TRGS 519 im Überblick
Die wichtigsten Änderungen der Gefahrstoffverordnung neben einigen Anpassungen können wie folgt zusammengefasst werden:
1. Neueinführung Expositions-Risiko-Matrix
Für Tätigkeiten wie Instandhaltungsarbeiten an asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern (als "PSF" zusammengefasst) wird im Rahmen der Einführung einer Expositions-Risiko-Matrix (vgl. Anlage 9 - TRGS 519) eine tätigkeitsbezogene Hilfestellung eingeführt, welche sodann als Grundlage zur Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden kann. Konkret handelt es sich hier um eine Art "Ampelmodell", welche auf Grundlage der TRGS 910 einen Zusammenhang zwischen Tätigkeiten, Arbeitsverfahren und Risikozuordnung erlaubt.
So kann anhand einer konkreten Tätigkeit mithilfe einer tabellarischen Zuordnung direkt das geeignete Arbeitsverfahren und die entsprechenden Schutzmaßnahmen sowie die notwendige Qualifikation abgelesen werden. Nachfolgend zwei Beispiele aus dem neuen Anhang 9 TRGS 519:
Beide Tätigkeiten sind einem "niedrigen Risiko" zugeordnet, sofern sie mit Schutzmaßnahmen der jeweiligen BT-Verfahren (emissionsarme Verfahren gemäß Nr. 2.9 TRGS 519) durchgeführt werden. Die letzte Spalte zeigt auf, welche Qualifikation für derartige Tätigkeiten benötigt wird. Diese Matrix wird zukünftig sukzessiv seitens des Ausschusses für Gefahrstoffe (kurz AGS) fortgeführt und um weitere Zuordnungen ergänzt. Übergeordnetes Ziel ist es, sobald eine Neuauflage der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) verabschiedet wird, diese Matrix als ersten Bestandteil eines künftigen modularen, risiko- und aufgabenbezogenen Qualifikationssystems einzuführen. Derzeit ist dieses modulare System aufgrund der derzeitigen Fassung der Gefahrstoffverordnung nicht umsetzbar.
Hier kommt die TRGS 519 als eine technische Regel der eigentlichen Verordnung zuvor und führt eine bereits jetzt erlaubte, jedoch "abgeschwächte" Systematik ein, welche bei entsprechender Änderung der Gefahrstoffverordnung in der Konsequenz zu eben dem modularen, risiko- und aufgabenbezogenen Qualifikationssystem führen wird.
2. Einführung neues Qualifikationsmodell
Wie bereits im letzten Abschnitt erwähnt, führt die neue Fassung der TRGS 519 ein neues Qualifikationsmodell ein. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass dieses Modell mit der Änderung der Gefahrstoffverordnung weiter ergänzt und konkretisiert wird. Genau genommen handelt es sich im Rahmen dieser neuen Fassung der TRGS 519 um eine Qualifikation für aufsichtführende Personen bei ausschließlicher Anwendung emissionsarmer Verfahren (Definition vgl. Nr. 2.9 TRGS 519). Die Anforderungen sowie Erläuterungen sind der neuen Anlage 10 TRGS 519 zu entnehmen. Im Wesentlichen lassen sich folgende Kernaussagen treffen:
Sofern ausschließlich emissionsarme Verfahren nach Nr. 2.9 TRGS 519 durchgeführt werden, benötigt die aufsichtführende Person bei den Tätigkeiten keine Sachkunde nach Anlage 4 TRGS 519 mehr. WICHTIG: Es wird weiterhin mindestens eine sachkundige, verantwortliche Person im Betrieb benötigt, welche mindestens über die Sachkunde nach Anlage 4 TRGS 519 verfügt!
Für Tätigkeiten, die im Rahmen der neu eingeführten Expositions-Risiko-Matrix einem niedrigen Risiko zugeordnet sind, aber nicht als emissionsarme Verfahren anerkannt sind, ist mindestens der Nachweis der Sachkunde nach Anlage 4 der TRGS 519 erforderlich.
Die neu eingeführte Qualifikation für die aufsichtführende Person nach Anlage 10 nennt sich "Modul Q 1E" - was so viel heißt wie "Qualifikationsmodul 1 für Emissionsarme Verfahren". Sie beinhaltet gemäß Anlage 10 ein "Grundmodul Asbest" (Nr. 1 Anlage 10), welches mit 10 Lehreinheiten angesetzt wird sowie ein "Praxismodul" (Nr. 2 Anlage 10), welches in der Regel mit 6 Lehreinheiten angesetzt wird sofern nur ein emissionsarmes Verfahren behandelt wird. Das Grundmodul Asbest ist zwingende Voraussetzung für das Praxismodul.
Kommen in dem jeweiligen Gewerk mehrere emissionsarme Verfahren vor, erhöht sich der zeitliche Umfang des Seminares je Verfahren in der Regel um 2 Lehreinheiten. Zukünftig soll insbesondere das "Grundmodul Asbest" (Anlage 10 Nr. 1) nach Vorstellung der Verfasser der Gefahrstoffverordnung TRGS 519 in den Ausbildungsverordnungen oder Meister-/Technikerausbildungen integriert werden. Die jeweiligen Praxismodule (Anlage 10 Nr. 2) sollen dann sukzessive nach Bedarf absolviert werden. So kann z.B. der Elektroinstallateur im Rahmen seiner Ausbildung das Grundmodul erwerben und kann bei Bedarf - sofern nicht direkt integriert - ein kleines Seminar besuchen, wo das BT 32-Verfahren gelehrt wird.
Zielführender wird in diesem Zusammenhang eine gewerkespezifische Aufbereitung des Praxismoduls sein, welche nicht nur ein einziges Verfahren lehrt, sondern die drei oder vier der wichtigsten Verfahren en bloc, wobei sich der zeitliche Aufwand entsprechend erhöht. Eine abschließende Prüfung beim Modul Q 1E ist nicht vorgesehen.
Kommentar der Asbest Akademie:
Der zeitliche Umfang deckt sich in etwa mit dem der Anlage 4 bzw. Anlage 4C (staatliche Sachkunde), mit der man jedes emissionsarme Verfahren und darüber hinaus auch Arbeiten an Asbestzementprodukten sowie Arbeiten geringen Umfangs durchführen darf. Ein rein zeitlicher Vorteil, abgesehen von der nicht benötigten Prüfung gemäß Anlage 10 ist, sofern nicht Inhalte wie angedacht maßgeblich innerhalb der Ausbildungsverordnungen verankert werden, kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ausgemacht werden.
Geeignet und gut ist diese Qualifikation für den Handwerker vor Ort, der beispielsweise ausschließlich Löcher bohrt (BT 30 Verfahren) oder eine Steckdose setzen (BT 32 Verfahren) möchte. Möchte er jedoch zusätzlich noch Vinyl-Asbestwandplatten ausbauen, muss er eine entsprechende, zusätzliche Qualifikation für genau dieses emissionsarme Verfahren erlangen.
Man kann festhalten, das dass zukünftige Qualifikationssystem kleinteiliger wird, sobald eine weitere Neuauflage der TRGS 519 kommt. In wie weit sich insbesondere das neue Qualifikationsmodul nach Anlage 10 TRGS 519 in den Gewerken etablieren wird, bleibt abzuwarten.
3. Einführung Mindestanforderungen an Luftreiniger
Anlage 7.2 legt nun Mindestanforderungen an Luftreiniger für den Einsatz bei Tätigkeiten an Bauteilen mit asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern und ehemals verwendeten bauchemischen Produkten und Materialien mit vergleichbaren Asbestgehalten fest. Hier kann nunmehr abweichend vom eigentlich erforderlichen H-Sauger mit der Zusatzkennzeichnung "gemäß TRGS 519 zugelassen" der Hauptfilter der Staubklasse M entsprechen (vgl. Anlage 7.2 TRGS 519 - Fassung 17.10.2019).
Änderungen im Detail – Download
In den beiden PDFs finden Sie zum einen alle Änderungen der TRGS 519 im Detail sowie die neue TRGS 519 im Originaltext zum Download:
Sobald sich die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ändert (vermutlich 2020), wird sich die TRGS 519 erneut ändern. Hierbei wird die neue Expositions-Risiko-Matrix im Fokus stehen und ein entsprechendes modulares Qualifikationsmodell zur Folge haben. Wichtig zu wissen für alle Sachkundigen nach Anlage 4 bzw. Anlage 4C und Anlage 3 der TRGS 519: Diese Sachkunden bleiben bestehen. Ändern wird sich für diese Sachkundigen das oben beschriebene Ampelmodell.
Unabhängig hiervon wird gerade seitens der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), zusammen mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sowie dem Umweltbundesamt (UBA) eine Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden entworfen.
Sie soll als Planungshilfe für alle Arbeiten und Tätigkeiten dienen, bei denen Asbest in einem Gebäude vermutet wird oder nachgewiesen wurde und bei denen Bauteile und Materialien, die Asbest enthalten könnten, bearbeitet oder entfernt werden. Weiterhin wird anhand einer Matrix ein schrittweises Vorgehen bei der Asbesterkundung im Vorfeld einer Baumaßnahme entwickelt.
Es passiert derzeit viel in der Asbestwelt. Aus Sicht der Asbest Akademie ist eine Sache entscheidend bei allen Anstrengungen: Der Gesundheitsschutz aller Beteiligten muss wirksam verbessert werden.