Fraunhofer ISE: Künstliche Intelligenz regelt Heizungsanlagen
Künstliche neuronale Netze sind, ähnlich dem menschlichen Gehirn, in der Lage, Handlungsstrategien selbstständig anhand von "erlebten" Beispielen (d.h. Trainingsdaten) zu entwickeln. Der Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes orientiert sich dabei an den Erkenntnissen der Neurobiologie über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Es liegt nahe, solche Netzstrukturen auch für technische Regelungen einzusetzen.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat in dem Projekt „ANNsolar - Neuronale Netzwerke für die Anwendung in der Solarthermie“ selbstlernende künstliche neuronale Netze für die Regelung solarthermischer Heizungssysteme entwickelt. Sie erfassen die individuelle thermische Dynamik des Gebäudes, die Wärmebedarfsänderung durch Solarstrahlung auf die Gebäudehülle und den Ladezustand des Speichers in Abhängigkeit der Betriebsbedingungen. So können die Netze die thermischen Zustände für die Zukunft prognostizieren, ohne dass eine Simulation erforderlich ist. Die neuronalen Netze erlernen die entsprechenden Abhängigkeiten selbstständig.
Einsparpotenziale zwischen 7% und 12%
Im Rahmen des Projekts ANNsolar entwickelten die Forscher des Fraunhofer ISE ein Regelungskonzept, das individuelle Randbedingungen (z.B. lokales Klima und Wärmedämmstandard) sowie das charakteristische Betriebsverhalten der solarthermischen Anlage und des Wärmeverteilsystems selbständig identifiziert. Im Regelungsbetrieb kann dann die Entwicklung von Raumtemperatur, Solarertrag und Speicherladezustand prognostiziert werden, um die Heizungsanlage optimal zu betreiben.
»Künstliche neuronale Netze bieten so eine hervorragende Möglichkeit, Heizungsanlagen effizienter und kostengünstiger zu regeln«, erklärt Dr. Wolfgang Kramer, Abteilungsleiter Thermische Speicher und Gebrauchsdaueranalyse sowie Koordinator Solarthermie am Fraunhofer ISE. Die Einsparpotenziale gegenüber einer optimierten konventionellen Regelung bei Bestandsgebäuden liegen bei mindestens 7%. Gegenüber nicht optimierten Regelungen, wie sie sehr häufig in der Praxis vorkommen, liegt das Einsparpotenzial in der Größenordnung von 12% und mehr, so ein Ergebnis der Arbeiten.
Neben der Maximierung von Solarertrag und Energieeffizienz soll durch diesen Ansatz insbesondere auch eine Reduzierung der Aufwände bei Installation und Inbetriebnahme der Regler erreicht werden. Erwartet werden Einsparungen von mehreren Stunden an Handwerkerdienstleistung.
Anlagenregelung auf Basis von ANN-Prognosen
Ein vielversprechender Ansatz besteht aus der Kombination von selbstlernenden künstlichen neuronalen Netzen (Artificial Neural Network- ANN), die nichtlineare Zusammenhänge abbilden, und einer Linearen System Identifikation LSI. Diese Kombination ist in der Lage, sowohl nichtlineares als auch lineares Verhalten der Anlage abzubilden. Die dafür benötigten Algorithmen wurden am Fraunhofer ISE entwickelt, in einen Regelungscode implementiert und erfolgreich in einer realen Anlage validiert.
Wesentliche Basis des entwickelten Regelungskonzepts sind die Prognosen von Raumtemperatur, Solarertrag und Speicherladezustand. Diese Größen können mit Hilfe der Kombination aus ANN und LSI in guter Genauigkeit vorhergesagt werden. Um dies nachzuweisen, wurden Messdaten einer realen Heizungsanlage mit solarthermischer Unterstützung für das Training von ANN-Netzen genutzt.
»Die große Stärke des gewählten Regelungsansatzes besteht darin, dass er in der Lage ist, individuelle Prognosen über die zukünftige Entwicklung von Raumtemperatur und Solarertrag zu generieren und zu berücksichtigen, ohne dass dafür aufwändige Simulationen notwendig sind«, so Dr. Wolfgang Kramer.
Die ANN-Regelung übernimmt zwei Regelungsfunktionen und greift dabei auf die ANN-Prognosen zurück. Zum einen wird die individuell optimale Heizkurve automatisch ermittelt, wobei im Vergleich zu einer konventionellen Heizkurve zusätzliche Einflüsse (z.B. passive solare Erwärmung des Gebäudes, Betrieb eines Kaminofens) berücksichtigt werden. Darüber hinaus steuert die Regelung auch die Zuschaltung der fossilen Nachheizung: Für die Entscheidung über die Einschaltung der Heizung wird überprüft, ob die notwendigen Speichertemperaturen innerhalb eines Prognosezeitraums ggfs. auch ohne Nachheizung erreicht werden. Unnötige Brennerstarts unterbleiben dann, die fossile Nachheizung wird minimiert und der solare Ertrag maximiert.