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Isolierglas: Warum die Mittelscheibe ein Schwachpunkt ist

Wolf-Dietrich Chmieleck
Inhalt
Foto 1: Ansicht des Risses an einer Hochkante der mittleren Floatglasscheibe der Isolierglasscheibe

Die Ausgangslage

Die Isolierglasscheiben wurden unter Angabe der wesentlichen Anforderungen (Glasgröße, U-Wert 0,6 W/(m2K), Alarmgebung der Außenscheibe, Einbruchhemmung der Innenscheibe) für die Fenster bestellt.

Der Glashändler hat daraufhin den Aufbau festgelegt und die 3-fach-Isolierglasscheiben geliefert. Bereits ein halbes Jahr später wurde an einer Isolierglasscheibe ein Riss entdeckt. Das Isolierglas wurde gegen Rechnungsstellung an den Bauherrn ausgetauscht.

Gericht beauftragt Sachverständigen

2 1/2 Jahre später zeigte ein weiteres Isolierglas einen Riss, ähnlich dem der ersten Scheibe. Da nun Unsicherheit darüber bestand, ob es zu weiteren Glassprüngen kommen würde, beantragte der Bauherr bei Gericht ein Selbständiges Beweisverfahren.

Das Gericht beauftragte einen Gutachter zur Beantwortung folgender Fragen:

  • Beruhen die Rissbildungen in der Fensterscheibe auf einem aus technischer Sicht bestehenden Mangel?
  • Sofern die Elemente im Fenster technisch mangelhaft sind, welche Arbeiten und Kosten sind zur Beseitigung der Mängel aus technischer Sicht erforderlich?
  • Bedarf in diesem Fall insbesondere die gesamte ausgeführte Verglasung eines kompletten Austausches?

Zur Beurteilung des Sachverhaltes und um Feststellungen zu treffen, wurde ein Ortstermin durchgeführt. Die streitgegenständlichen Isolierglasscheiben sind in Fensterelementen aus wärmegedämmtem Aluminium verglast und haben folgenden Aufbau:

  • Außenscheibe: 6 mm ESG mit Alarmspinne, SZR: 14 mm
  • Mittelscheibe: 6 mm Floatglas wärmeschutzbeschichtet, SZR: 14 mm
  • Innenscheibe: Einbruchhemmendes VSG aus 2 × 4 mm Floatglas

Fensterscheibe gerissen: Schadensbild Isolierglas 

Gerissen ist die mittlere Floatglasscheibe. Der Ursprung des Risses befindet sich ca. mittig an einer Hochkante (Foto 1). Der Riss verläuft zunächst horizontal in einem Winkel von 90 Grad von der Glaskante kommend und verzweigt dann in die Glasfläche hinein.

Um ein Gerichtsverfahren zu beschleunigen, ist es dem Sachverständigen erlaubt, den Parteien einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten.

Im Ortstermin habe ich den Parteien vorgeschlagen, den Rechtsstreit über eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf 10 Jahre zu beenden, weil davon ausgegangen werden kann, dass nach diesem Zeitraum mit keinen weiteren Rissen mehr zu rechnen ist.

Da sich die Beteiligten nicht auf einen Vergleich einigen konnten, bat das Gericht den Sachverständigen um die Fortsetzung des Gutachtenauftrags. Der anlässlich des ersten Ortstermins festgestellte Riss hat sich im Laufe der vergangenen Monate so weit fortentwickelt, dass eine Umglasung der Isolierglasscheibe notwendig wurde.

Da zur zweifelsfreien Feststellung der Bruchursache immer auch die Betrachtung der Glaskante notwendig ist, habe ich die Umglasung genutzt, mir den Bruchursprung an der Glaskante anzusehen. Der Riss im Isolierglas verläuft auf der Glaskante horizontal in einem Winkel von 90 Grad (Foto 2).

Foto 2: Hier die Ansicht des Risses auf der Glaskante der Mittelscheibe der 3-fach-Isolierglasscheibe

War ein thermischer Sprung die Bruchursache?

Vereinfacht gesagt kommt es zu einem thermischen Glassprung immer dann, wenn die Temperaturdifferenz zwischen dem im Fensterrahmen „eingebetteten“ Glasrand und der sichtbaren Glasfläche die thermische Widerstandsfähigkeit der Glasscheibe überschreitet.

Diese Widerstandsfähigkeit ist stark abhängig von der Beschaffenheit der Glaskante. Bei unbeschichtetem Floatglas beträgt dieser Wert etwa 20 Kelvin (Grad Celsius). Bei Floatglas mit zusätzlicher Wärmeschutzbeschichtung wird dieser Wert noch geringer sein.

Zu einer Überschreitung der Temperaturdifferenz kommt es, wenn sich Rahmen und Glasscheibe des Fensters über Nacht abkühlen und sich dann morgens bei Sonnenaufgang die sichtbare Glasfläche schnell aufheizt, wohingegen der im Fensterrahmen „eingebettete“ Glasrand nicht gleichermaßen schnell warm wird und kälter bleibt.

Typischer Verlauf bei thermischen Glassprüngen

Thermisch hervorgerufene Glassprünge im Fenster sind zweifelsfrei an ihrem typischen Verlauf zu erkennen. Sie verlaufen am Bruchausgang von der Glaskante zunächst immer in einem Winkel von 90 Grad heraus und dann mäanderförmig in die Glasfläche hinein. Ein weiteres Merkmal ist, dass der Sprung auf der Flanke der Glaskante ebenfalls immer einen Winkel von 90 Grad zu den Außenflächen hat. Beide Merkmale habe ich an der gesprungenen Scheibe festgestellt.

Zu dem thermischen Glassprung in der Mittelscheibe des Isolierglases ist es gekommen, weil diese aus Floatglas besteht und zudem mit einer Wärmeschutzschicht beschichtet wurde. Die Beschichtung führt zu einer Erhöhung der Absorption von Wärmestrahlung im Glas und hiermit verbundener Aufheizung der sichtbaren Fläche der Scheibe. Die mittlere Floatglasscheibe der 3-fach-Isolierverglasung hätte nicht beschichtet werden dürfen. Aus technischer Sicht ist das gelieferte Isolierglas mangelhaft.

Das Fazit des Sachverständigen

Die Mittelscheibe von 3-fach-Isolierglas hat es besonders schwer, ihre „aufgestaute“ Wärmeenergie abzugeben, weil das Glas zwischen der Außenscheibe und der Innenscheibe eingebettet ist. Es fehlt im Scheibenzwischenraum insbesondere auch die Wärme abtragende Luftkonvektion.

Aus diesem Grund ist hier die Gefahr der Überschreitung der ohnehin minimalen kritischen Temperaturdifferenz Glasrand/Glasfläche für thermische Sprünge im 3-fach-Isolierglas besonders gegeben.

Möchten Sie mehr über thermische und mechanische Schäden am Glas erfahren, lesen Sie unseren Beitrag "Typische Glasschäden und ihre Ursachen".

Der Autor Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik.

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