Was Sie bei der Umstellung auf BIM unbedingt beachten müssen
Die Einführung der neuen modellbasierten Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) ist weit mehr als ein Einstieg in eine neue Software. Denn neben den geeigneten Werkzeugen müssen auch neue Strukturen im Unternehmen eingeführt, personelle und informationstechnische Kapazitäten aufgebaut werden, was insbesondere in großen Unternehmen weitreichende und langfristige Umwälzungen zur Folge hat.
Mehrere Aspekte sind bei der BIM-Einführung wichtig
Alle relevanten Aspekte müssen dafür auf den Prüfstand: Die Software, die Hardware, das Netzwerk, die Kommunikation, externe Partner – und nicht zuletzt das eigene Know-how. Jede BIM-Einführung ist zwar individuell und verläuft anders, weil jedes Planungsbüro ein anderes Geschäftsmodell, spezifische technische und strukturelle Bedingungen, andere Fähigkeiten, Schwerpunkte und Zielvorgaben – und damit auch unterschiedliche Möglichkeiten in der BIM-Nutzung – hat. Dennoch gibt es grundlegende Vorgehensweisen und Schritte beim BIM-Ein- oder -Umstieg, an denen man sich orientieren und die man in modifizierter Form auf die eigene, individuelle Bürosituation übertragen kann.
Vor der BIM-Einführung Zielvorgaben definieren
Nur, wer sein Ziel kennt, kommt an. Vor der BIM-Einführung sollten deshalb bürointern Zielvorgaben festgesteckt werden: Welche Erwartungen werden an den BIM-Prozess gestellt? Ist es der Gewinn an Ordnung in der Planung und Datenhaltung, die Vermeidung von Datenredundanzen und die Reduktion von Suchzeiten? Sind es die präzisere Vorhersage und bessere Koordination von Kosten und Zeiten oder die automatisierte Modellauswertung für Massenermittlungen und Raumbücher? Oder ist es die Hinterlegung technischer Daten im Modell für die spätere Gebäudenutzung?
Mindestens ebenso wichtig wie geometrische und zeitliche Kollisionskontrollen oder die Rationalisierung von Planungsprozessen und die Einsparung von Planungszeiten und -kosten dürften für Fachplaner die Verbesserung der Qualität von Planungsleistungen dank engerer Verknüpfung von Planung und Berechnung, die wirtschaftlichere Auslegung von Anlagen und der Zugewinn an Planungssicherheit sein.
Achten sollte man auf eine realistische Zieldefinition, die vorhandene Büroressourcen nicht überfordert und zwischen kurz- und langfristigen Zielen unterscheidet. Im Hinblick auf den büro-, und Software-übergreifenden Einsatz von BIM (Big/Open BIM) ist zusätzlich eine Abstimmung der BIM-Ziele auch zwischen Projektpartnern und dem Bauherr bzw. den wichtigsten Kundengruppen erforderlich.
Der Zieldefinition sollte sich eine Analysephase anschließen. Dabei sollte der Ist-Zustand des Büros erfasst und der Soll-Zieldefinition gegenübergestellt werden. Dabei zutage tretende Differenzen definieren dann jenen Bereich, der durch die BIM-Planungsmethode verbessert werden soll. Den Fokus der Bestandsanalyse sollte man dabei auf die Mitarbeiter des Unternehmens, die verwendeten Werkzeuge und die über die Jahre etablierten Arbeitsabläufe, Prozesse und Standards legen.
Was müssen die Mitarbeiter können?
Mitarbeiter sind das Potenzial von Unternehmen und tragen durch ihr Know-how, ihre Mitarbeit und Motivation wesentlich zum Gelingen des BIM-Umstiegs bei. Sie stehen in dessen Zentrum und müssen deshalb im Vorfeld umfassend informiert, geschult und auf die kommenden Veränderungen vorbereitet werden, auch um mögliche Ängste gegenüber den kommenden Veränderungen im Vorfeld abzubauen. Umgekehrt müssen die Mitarbeiter bereit sein, vertraute Abläufe infrage zu stellen, neue Herausforderungen anzunehmen, stetig dazuzulernen und offen gegenüber neuer Technik sein. Vor allem sollten sie fundiertes BIM- und Software-Wissen mitbringen.
Dieses Know-how muss entweder über neue, BIM-erfahrene Mitarbeiter und interne Schulungen erworben werden. Oder man muss auf Schulungsangebote zurückgreifen, die Organisationen, Verbände, teilweise auch private Anbieter offerieren. Da Ausbildungsstandards fehlen, sollte man die Qualität der Schulungsmethoden und Inhalte vorher unter die Lupe nehmen. Die Kosten der meist mehrtägigen Kurse liegen pro Person zwischen 2.000 und 5.000 Euro. Auch Hochschulen lehren BIM, allerdings auf unterschiedlichem Niveau, sodass Absolventen unterschiedliches BIM-Know-how mitbringen.
Entscheidend ist die Wahl des BIM-Verantwortlichen, der in kleineren Büros in der Regel zugleich auch der BIM-Koordinator oder BIM-Manager ist: Er bildet eine Art Drehscheibe für die Kommunikation und den Datenaustausch in einem BIM-Projekt. Er ist verantwortlich für die Koordination und den Abgleich der verschiedenen Modelle der Planungspartner, er definiert die Methoden der Koordination, führt die verschiedenen Teilmodelle nach Bedarf zusammen, überprüft deren Konsistenz etc.
Zugleich sollte er auch die Mitarbeiter-Motivation im Blick haben: Da BIM-Lernkurven nie stetig ansteigen, bleiben auch Phasen der Ernüchterung und Stagnation nicht aus. Dann müssen BIM-Verantwortliche einer menschlichen Schwäche besonders entgegenwirken: Klappt etwas nicht sofort oder erscheint etwas umständlicher als das, was man vorher gemacht hat, kehrt man gern zu scheinbar bewährten Arbeitsmitteln und Methoden zurück.Dann wird beispielsweise schnell in der 2-D-Ansicht eine mit dem Bauherren besprochene Änderung vorgenommen und nicht im 3-D-Modell. Deswegen müssen BIM-Verantwortliche nicht nur Zusammenhänge und die Folgen des eigenen Handelns immer wieder erklären, sondern auch stetig motivieren, damit jeder dran bleibt.
Software muss bestimmte Anforderungen erfüllen
BIM ist zwar keine Software, gleichwohl gibt es ohne geeignete Software kein BIM. Software ist dann „BIM-fähig“, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllt. Dazu gehören bei CAD-Programmen unter ande-rem parametrisierbare 3-D-Objekte mit assoziierten alphanumerischen Objektinformationen, eine Bauwerksstrukturierung, automatische Planableitungen und Auswertungen sowie eine IFC-Schnittstelle für den Datenaustausch. Die meisten dieser Anforderungen erfüllen viele in TGA-Planungsbüros verwendete CAD-Programme, aber eben nicht alle. Teilweise müssen bestimmte Module oder Schnittstellen zusätzlich erworben oder komplette Programme ausgetauscht werden.
Doch auch wenn die Software BIM-fähig ist – nicht alle Anwender arbeiten zwangsläufig BIM-konform. Die Software muss auch beherrscht werden und grundlegende Regeln zur BIM-Modellierung, Struktu-rierung, Detaillierung etc. müssen bekannt sein und eingehalten werden. Das ist wichtig, denn ungenügende Softwarekenntnisse behindern eine Umstellung auf die BIM-Planungsmethode und können sie sogar gefährden. Deshalb muss eine Bestandsanalyse Klarheit schaffen, welche Kenntnisse vorhanden und wo noch Defizite durch Schulungen aufzu-holen sind.
Da die BIM-Planungsmethode sowohl den Funktionsumfang einzelner Programme erweitert als auch neue Softwareprodukte schafft, etwa zur BIM-Modellprüfung, -Koordination oder -Auswertung, müssen sich Mitarbeiter ohnehin häufiger weiterbilden und schulen als bisher. Wird ein Umstieg erforderlich, weil die Software nicht BIM-konform ist, muss der BIM-Einführung ein Software-Auswahlprozess vorangestellt und das Marktangebot evaluiert werden, beispielsweise anhand von Marktübersichten oder Fachmessen.
Nach der Auswahl muss die neue Software im Unternehmen eingeführt werden, was mehrtägige Schulungen und eine mehrwöchige Einstiegsphase nach sich ziehen kann, bevor sie produktiv einsetzbar ist. Diesen Prozess und den zeitlichen Vorlauf muss man bei der BIM-Umstiegsplanung mit einkalkulieren, insbesondere wenn der BIM-Einstieg an ein konkretes Projekt gekoppelt ist.
Neben der Software sollte auch die Hardware, die Netzwerk- und Kommunikationsstruktur auf den Prüfstand. Nicht nur aktuelle BIM-Software, auch größere BIM-Projekte können alleine durch die Datenmenge veraltete Rechner schnell in die Knie zwingen. Eine eventuell notwendige Aktualisierung der IT-Infrastruktur sollte deshalb sowohl zeitlich als auch finanziell einkalkuliert werden.
Mit BIM verändern sich interne und externe Prozesse
Viele der über Jahre im Unternehmen etablierten und bewährten Gewohnheiten, Arbeitsabläufe und Prozesse ändern, anpassen oder gar komplett über Bord werfen zu müssen, zählt wohl zu den größten Herausforderungen des BIM-Umstiegs. Bedingt durch die Notwendigkeit, Informationen koordiniert bürointern auszutauschen und mit externen Projektpartnern enger und intensiver zusammenzuarbeiten, verändern sich interne und externe Prozesse vor allem in der Kommunikation und Kooperation zwangsläufig.
Gefragt sind nicht mehr ausschließlich auf das eigene Büro zugeschnittene Abläufe, sondern mit den Projektpartnern vernetzte und abgestimmte Arbeitsschritte, die sich an BIM-Standards orientieren. Sie sollen dazu dienen, bestimmte Qualitäten im Austausch, in der Kommunikation und Koordination zu definieren, regelmäßig zu prüfen und so eine disziplinierte und verlässliche Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Das setzt einheitliche Regeln zur Erstellung, Weitergabe, Nutzung und Verwaltung von Daten voraus, denn nur so lassen sich überflüssige Tätigkeiten, wie die wiederholte Eingabe identischer Daten oder die Suche nach Informationen vermeiden. Dafür werden sowohl standardisierte Prozesse als auch hersteller- und softwareunabhängige Datenstandards benötigt. Mehrere internationale und nationale BIM-Richtlinienentwürfe beschäftigen sich derzeit mit der Vereinheitlichung von Qualitäten und Prozessen, etwa ISO 19 650 [(Entwurf): Organisation von Daten zu Bauwerken – Informationsmanagement mit BIM – Teil 1: Konzepte und Grundsätze. Berlin: Beuth Verlag, April 2017] und VDI 2552 [VDI 2552 Blatt 3 Building Information Modeling – Mengen und Controlling. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2017].
Einerseits bietet BIM die Chance, dass Unternehmen die Umstellung dazu nutzen, auch ihre bisherigen Arbeitsprozesse und Abläufe zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu organisieren. Andererseits ist es weder sinnvoll noch realistisch, über viele Jahre Gewachsenes und Bewährtes von heute auf morgen durch Neues zu ersetzten. Prozesse im Unternehmen sollten nur allmählich und nur an jenen Stellen an die BIM-Planungsmethode angepasst werden, wo es erforderlich ist.
Wie kann der Umstieg konkret umgesetzt werden?
Auch den eigentlichen Prozess des Umstiegs gilt es zu planen und alle Mitarbeiter einzubinden. Dazu sollte aufbauend auf den Zielvorgaben und Ergebnissen der Soll- und Ist-Vergleiche ein grober Zeitplan entwickelt werden. So erfahren alle Mitarbeiter, wie die Umstellung zeitlich und inhaltlich ablaufen soll: Welche Software wird wann gekauft, installiert und eingesetzt? Wer, wird wann, wie lange und auf welcher Software geschult? Wann startet das erste BIM-Projekt und wer übernimmt dabei welche Aufgaben?
Wichtig ist, mit einem kleinen Pilotprojekt am besten zunächst als Little/Closed BIM anzufangen: Dazu eignen sich beispielsweise ein Einfamilienhaus oder ein kleines Gewerbeprojekt, das neben Grundrissen auch Schemata, Schnitte, Massen, Mengen und Berechnungen voraussetzt. Sinnvoll kann auch ein Probelauf mit einem kleinen, bereits abgeschlossen Projekt sein. So kann man sich entspannter auf die neue Arbeitsweise einlassen und man kann alt mit neu vergleichen. Keinesfalls sollte man mitten im Projekt umsteigen, ein terminlich zu knapp kalkuliertes oder zu komplexes Projekt wählen.
Die nächsten Schritte bestehen aus der eigentlichen, praktischen Umsetzung – ein Prozess, der Zeit benötigt und – je nach Unternehmen und BIM-Level – mehrere Monate bis Jahre in Anspruch nehmen kann. Auch das Sammeln von Erfahrungen sowie die stetige Weiterentwicklung und Verbesserung im Rahmen der Projektarbeit gehören dazu.Mit den im ersten BIM-Projekt gewonnenen Erfahrungen sollte das nächste gestartet werden, das komplexer und auch bereits als Big / Open-BIM-Projekt ausgelegt sein kann.
Wichtige Erfahrungen und Arbeitsabläufe sollten parallel dokumentiert werden. Nur so lassen sich BIM-Bürostandards sukzessive optimieren und dauerhaft etablieren. Auch Risikofaktoren sollte man bei der BIM-Umstellung berücksichtigen: Ein BIM-Manager kann auch mal krank werden, Software kann auch mal nicht funktionieren, der Datenaustausch kann sich als schwierig erweisen und so weiter. Dann ist Improvisationstalent gefragt – besser noch, man hat einen Plan B.
Wo gibt es Informationen und Hilfen?
Wer BIM einführen will, kann neben Informationen auch das Know-how erfahrener Kollegen oder Experten gut gebrauchen. Während es inzwischen ein Überangebot an BIM-Basisinfos gibt, findet man speziell zur BIM-Einführung im Unternehmen, außer in einzelnen Kapiteln von Standardwerken (z.B. "Building Information Modeling. Technologische Grundlagen und industrielle Praxis" oder "BIM-Leitfaden für Deutschland"), Nützliches nur in Schulungen, Seminaren, Webinaren oder Vorträgen.
Da große, fachübergreifende Planungsunternehmen in der Regel eigene, individuelle BIM-Umstiegskonzepte selbst erarbeiten, richten sich die Ausbildungsangebote meist gezielt an kleine und mittlere Büros. Bewährt haben sich auch Projekt- und Arbeitsgemeinschaften mit Partnerbüros und Kollegen, weil jeder vom Know-how des anderen profitieren und man sich gegenseitig bei Problemen unterstützen kann. Außerdem können anhand eines gemeinsamen BIM-Einstiegs so schon mal wichtige BIM-Grundregeln eingeübt werden: Kooperations- und Koordinationsmechanismen, ein kontinuierlicher Austausch von Informationen und eine partnerschaftliche Kooperation im Team.
Austauschmöglichkeiten und Rat im Internet bieten auch Blogs wie www.bim-me-up.com. Auch BIM-Regionalgruppen (BIM-Cluster) ermöglichen einen Erfahrungsaustausch und die Vernetzung untereinander (www.buildingsmart.de/bim-regional).
Eine weitere Option sind externe BIM-Dienstleister wie www.bimwelt.de, www.hochtief-vicon.de, www.stabiplan.de oder www.vrame.com. Werden sie entsprechend beauftragt, können sie im Unternehmen die BIM-Umstellung vorbereiten und begleiten.
Allerdings sollten Erfolgsziele zuvor sehr genau definiert und Maßnahmen nachvollziehbar dokumentiert werden, denn der temporäre Einkauf von BIM-Expertenwissen hat seinen Preis und steht nur zeitlich begrenzt zur Verfügung.
Die Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg
Die Einführung von BIM ist grundsätzlich eine Managementaufgabe für Büro- und Projektverantwortliche. Der Schlüssel zum Erfolg liegt aber bei den Mitarbeitern. Sie bestimmen letztlich mit ihrem Wissen, ihrer Motivation, ihrem Engagement und Einsatz über Erfolg oder Misserfolg. BIM gibt es nicht umsonst und BIM ist Teamarbeit. Deshalb ist jeder einzelne gefordert und jeder einzelne muss sich engagieren.
Wichtig ist auch Konsequenz: Hat man sich bei einem Projekt einmal für BIM entschieden, dann sollte man auch konsequent dabei bleiben und nicht von Beginn an oder mittendrin „sicherheitshalber“ zweigleisig fahren. Entscheidend ist auch Durchhaltevermögen: man muss dranbleiben, auch wenn es schwierig oder hektisch wird.
Der wichtigste Grundsatz beim BIM-Umstieg lautet aber: Besser heute, als morgen! Wer heute einsteigt, gewinnt mit jedem weiteren Tag einen wertvollen technologischen Vorsprung, der schon morgen im Wettbewerb um Projekte und Aufträge entscheidend sein kann.