Neue Regeln für Solaranlagen: Was bringt das Solarpaket 1?
Zukünftig soll es für Bürger und Unternehmen deutlich einfacher und unbürokratischer werden, Photovoltaik auf dem Dach oder in der Fläche zu installieren. Dafür soll das Solarpaket bürokratische Hürden abbauen und Planungsprozesse beschleunigen. Immobilieneigentümern, Mieterinnen und Mietern sowie Landwirten und anderen professionellen Investoren werde damit der Zugang zu preiswertem Solarstrom erleichtert, lautet das Resümee des Bundesverbandes Solarwirtschaft BSW Solar. Der Verband erwartet die Verabschiedung des Gesetzespakets im Bundestag in einer der kommenden zwei Sitzungswochen des Bundestages.
Erleichterungen für Balkon-PV
Die Inbetriebnahme von Photovoltaik-Anlagen auf dem Balkon, sog. Balkonkraftwerke, soll deutlich einfacher und schneller werden. Die vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber soll entfallen und die Anmeldung im Marktstammdatenregister auf wenige, einfach einzugebende Daten beschränkt werden.
Neue Balkon-PV sollen zudem nicht dadurch verhindert werden, dass ein Zweirichtungszähler – also digitaler Stromzähler – eingebaut werden muss. Übergangsweise dürfen die Anlagen weiterhin die alten Ferraris-Zähler nutzen. Der bisherige Stromzähler läuft dann einfach rückwärts, wenn Strom eingespeist wird. So profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher davon, denn das senkt die Strommenge, die sie bezahlen.
Außerdem können Balkonsolaranlagen künftig leistungsfähiger sein. Für Geräte mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 2 Kilowatt und einer Wechselrichterleistung von insgesamt bis zu 800 Voltampere gilt eine vereinfachte Anmeldung. Künftig sollen Balkon-PV mit einem herkömmlichen Schukostecker auskommen. Das würde die Installation erheblich erleichtern. Hierzu muss jedoch noch eine Norm mit den Verbänden erarbeitet werden.
Kein Resilienzbonus für die Industrie
Doch ganz zufrieden kann die Branche natürlich nicht sein. Denn der Resilienzbonus, den sie zur Unterstützung einer heimischen Zell- und Modulproduktion gefordert hat, ist vom Tisch. Die Chance für einen Wiederaufbau der deutschen und europäischen Solarindustrie sei damit vertan. „Das Solarpaket enthält viel Licht, leider aber auch Schatten“, urteilt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar. „Wir sind zuversichtlich, dass das Gesetz als Energiewendebeschleuniger wirken wird und auf Dächern und Freiflächen in den nächsten Jahren noch mehr Solarmodule installiert werden können. Klimaschutz, Privathaushalte und Gewerbebetriebe werden profitieren. Heimische Solarmodulfabriken gehen jedoch leider weitgehend leer aus.“
Mieterstrom und Gebäudeversorgung werden erleichtert
Tatsächlich erwartet der Verband einige Impulse für den Zubau aus dem Solarpaket. So wird die Weitergabe von Solarstrom innerhalb eines Gebäudes an mehrere private oder gewerbliche Stromverbraucher attraktiver. Denn mit einer gemeinsamen Gebäudeversorgung werden Anlagenbetreiber nicht mehr automatisch zum Energieversorger, sondern können den Solarstrom künftig barrierearm an Mieter und Mitbewohner veräußern. Den zusätzlich benötigten Strom können die Verbraucher von einem selbst gewählten Versorger beziehen.
Durch den Wegfall der Stromversorgerbürokratie erwartet der BSW Solar einen schnelleren Ausbau der Photovoltaik auf Mehrfamilienhausdächern und in Gewerbegebäuden. Hier wird auch die Abrüstung bei den Anforderungen an die Messtechnik wirken. Zusätzlich wird es Verbesserungen für Mieterstromprojekte geben.
Mehr Vergütung für Gewerbeanlagen
Positiv auswirken dürfte sich in diesem Bereich auch die Anhebung der Vergütungssätze für Anlagen zwischen 40 und 750 Kilowatt. Damit wird die Photovoltaik für Unternehmen und Bewohner von Mehrfamilienhauseigentümer auch dann attraktiver, wenn nicht der gesamte Solarstrom im Gebäude verbraucht wird.
Mehr Dachanlagen müssen in die Ausschreibung
Auf Kritik hingegen stößt die Absenkung der Leistung von Dachanlagen, die eine Marktprämie in Ausschreibungen ergattern müssen. Lag die Grenze bisher bei einem Megawatt, müssen in Zukunft alle Anlagen ab 750 Kilowatt an den Auktionen teilnehmen, wenn sie eine Förderung bekommen wollen. Dies ist sicherlich eine Reaktion auf das verhaltene Interesse der Investoren in große Dachanlagen, an solchen Ausschreibungen teilzunehmen. Dieses geringe Interesse hat aber auch einen Grund: Das Risiko, keine Marktprämie zu bekommen, wirkt als Investitionshindernis für die Gewerbebetriebe, die eher Planungssicherheit brauchen, wenn es um die eigene Energieversorgung geht.
Landwirte können mehr Gebäude nutzen
Gefolgt ist die Ampelkoalition der Branchenempfehlung, die Regelungen für sogenannte Solarstadl zu aktualisieren. Dabei handelt es sich um Gebäude, die Landwirte seit 2012 im Außenbereich errichtet haben. Diese können sie jetzt mit Photovoltaikanlagen zu verbesserten Förderkonditionen nachrüsten.
Repowering wird erleichtert
Auch die Erneuerung von bestehenden Solaranlagen im Rahmen eines Repowering sollen genauso verbessert werden, wie die Regelungen zur Direktvermarktung. Bei der Direktvermarktung bleibt die Ampelkoalition allerdings hinter den Branchenerwartungen zurück.
Erleichterungen für Freiflächenanlagen
Im Bereich der Freiflächenanlagen wird es ebenfalls Verbesserungen geben. So sollen in Zukunft auch Solarparks mit einer Leistung von bis zu 50 Megawatt an Ausschreibungen teilnehmen können. Bisher liegt die Obergrenze bei 20 Megawatt. Zudem sollen landwirtschaftliche Flächen in benachteiligten Gebieten leichter genutzt werden können. Denn der Bau von Solaranlagen auf diesen Flächen soll grundsätzlich erlaubt sein. Die Bundesländer können dies nur noch bis zu einem bestimmten Grad einschränken, der die Zielerreichung beim Ausbau der Photovoltaik nicht gefährdet. Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Solarstromerzeugung wird allerdings auf ein Maximum von 80 Gigawatt bis 2030 beschränkt. Dies entspreche etwa 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland, wie der BSW Solar mitteilt.
Auktionen für besondere Solaranlagen
Um auch andere Flächen effizienter zu nutzen, wird ein eigenes Auktionssegment mit einem eigenen Höchstwert für besondere Solaranlagen eingeführt. Darunter fallen Agri-PV-, Floating- und Mooranlagen sowie solare Parkplatzüberdachungen. Dies wird ein Untersegment der regulären Ausschreibungen für Solarparks sein. Damit sollen die Mehrkosten abgebildet werden, die solche aufwändigeren Konstruktionen mit sich bringen.
Netzanschluss von Solarparks bliebt aufwändig
Dass nicht alle Regelungen die Verhandlungen um das Solarpaket überstanden haben, zeigt sich beim Netzanschluss. So sollte ursprünglich eine Duldungspflicht beim Verlegen der Anschlusskabel von Solaranlagen im Boden von Nachbargrundstücken festgeschrieben werden. Diese gilt jetzt nur noch für Grundstücke, die im Eigentum der öffentlichen Hand sind. Privateigentümer können weiterhin die Verlegung der Kabel behindern. „Vermutlich auf Druck der Agrarlobby wurde hier zu kurz gesprungen“, kritisiert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar. „Eine große Option zur Beschleunigung und Kostensenkung bei Solarparks bleibt ungenutzt.“ Denn die aufwändigen Verhandlung mit häufig verschiedenen Flächeneigentümern führt durchschnittlich zu einer Verlängerung der Planungsphase um sechs Monate und zu oft überhöhten Preisen bei der Netzanbindung.
Kleine Anlagen schneller anschließen
Für kleinere Anlagen wird hingegen der Netzanschluss einfacher. So können in Zukunft Anlagen mit einer Leistung von bis zu 30 Kilowatt einfach ans Netz angeschlossen werden, wenn der Netzbetreiber innerhalb von vier Wochen den Antrag auf einen Netzanschluss nicht beantwortet. Bisher galt diese Regelung nur für Anlagen mit einer Leistung von bis zu 10,8 Kilowatt. „Die bislang unverhältnismäßig strengen Regelungen beim Netzzugang gewerblicher PV-Systeme sollen darüber hinaus in mittleren Leistungsklassen vereinfacht werden – unter anderem auch die Erhöhung des Schwellenwertes zur Anlagenzertifizierung“, erklärt Carsten Körnig.
Zertifizierung vereinfacht
So brauchen in Zukunft nur noch Anlagen mit einer Leistung von mehr als 500 Kilowatt ein Zertifikat, bevor sie ans Netz gehen könnten. Bisher lag die Grenze bei 135 Kilowatt. Voraussetzung ist aber, dass die tatsächliche Einspeiseleistung 270 Kilowatt nicht überschreitet. Damit wird diese Regelung vor allem für Eigenverbrauchsanlagen relevant.
Vorteile der Speicher voll nutzen
Auch der Betrieb von größeren Gewerbe- und Netzspeichern soll verbessert werden. So wird das sogenannte Ausschließlichkeitsprinzip neu geregelt. Das bedeutet, dass nur Speicher, die Strom aus erneuerbaren Energien zwischenlagern, eine EEG-Vergütung bekommen. Netzdienstleistungen sind damit ausgeschlossen. Dies soll sich ändern. Denn Ziel der Neuregelung sei es, eine flexible Betriebsweise von Stromspeichern und die Nutzung mehrerer Vorteile der Speicher gleichzeitig – sogenannten multi-use – zu ermöglichen, ohne von dem Grundsatz abzuweichen, dass nur Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen förderfähig ist.
Speicher flexibler betreiben
Speichern soll es dadurch ermöglicht werden, sowohl die fluktuierende Erzeugung von Ökostromanlagen zwischenzuspeichern als auch einen Beitrag zum Stromsystem zu leisten, indem sie Netzstrom zwischenspeichern können. „Es ist wichtig und richtig, dass Speicher flexibler betrieben werden können. Dabei ist nun zentral, dass die Bundesnetzagentur in enger Zusammenarbeit mit der Branche die notwendigen Festlegungen trifft“, erklärt dazu Carsten Körnig.