Co-Firing: Blick in den Industriepellets-Markt
Hiesige Pelletproduzenten greifen bei ihrer Produktion von Holzpellets klassisch auf Sägespäne zurück, die in Sägewerken bei der Holzverarbeitung als so genanntes Koppel- oder Nebenprodukt abfallen. Deshalb sind die meisten Pelletwerke hierzulande auch im Umfeld von Sägewerken zu finden bzw. sie stellen eine Produktionserweiterung dort dar. Anders verhält es sich, wenn Holzpellets direkt aus Rundholz hergestellt werden. Das erfordert allerdings der Produktion vorgelagerte, weitere Schritte: Das Rundholz muss entrindet, danach zerkleinert und anschließend zu Sägespänen zermahlen werden.
Rundholz vs. Sägespäne
Beides hat sein Für und Wider. Pelletwerke, die ihre Produktion auf Rundholz basieren, sind grundsätzlich weniger limitiert, was die Verfügbarkeit des Rohstoffs Sägespäne betrifft, weil sie ihn selbst herstellen. Umgekehrt sind sie über die notwendigen Zusatzstufen in der Vorproduktion energieintensiver und im Invest in die Produktionsstrecke teurer. Sie können sich also nur lohnen, wenn die zur Pellet-Produktion notwendige Energie günstig und viel Rundholz zu niedrigen Preisen verfügbar ist.
Günstige Umstände für US-Produzenten
Das ist in den Südstaaten der USA in Florida und Georgia genau der Fall. Hier konnte die Forstwirtschaft Holz nicht mehr absetzen, weil traditionelle Kunden wie Papierfabriken nicht mehr nachfragten. Ersatzmärkte mussten her und da fügte es sich gut, dass die Politik in EU-Europa darauf zielt, die Energieproduktion massiv zu dekarbonisieren, mit entsprechenden Vorgaben für die einzelnen Länder. Wie der Weg zum Ziel beschritten wird, bleibt den Ländern überlassen.
Darüber wurde das Co-Firing geboren, also der anteilige Ersatz von Kohle in Kohlekraftwerken über Holzpellets. „Mitverbrennung ist sicherlich eine einfachere und kostengünstigere Möglichkeit, von der Kohle zur Verbrennung von Biomasse überzugehen. Und es erfordert einfachere Modifikationen an Anlagen, die in kürzerer Zeit fertiggestellt werden könnten, verglichen mit dem Bau einer Pellet-befeuerten Anlage von Grund auf“, sagt Erisa Senerdem, Leiterin für Marktanalysen zur Bioenergie bei Argus Media gegenüber haustec.de. Argus Media ist ein Marktforschungsunternehmen mit Sitz in London, das seit vielen Jahren die Bioenergiemärkte beobachtet und analysiert sowie Zahlen veröffentlicht.
Knackpunkt beim Einsatz von Holzpellets in Kohlekraftwerken für Kraftwerks-Betreiber ist, ob es attraktiv ist, weil es z.B. vom Staat gefördert wird oder es die CO2-Bilanz des Energieversorgers verbessert und er darüber z. B. weniger CO2-Zertifikate kaufen muss.
Der Marktführer Industrieholzpellets
Ein Rechenexempel, das bislang aufgeht. Enviva Inc. (Bethesda/Maryland, USA) ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Hersteller von Industrieholzpellets. Hauptabnehmer sind derzeit Kraftwerke in Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien. Envivas neun Produktionsanlagen im Südosten der USA (in der Branche spricht man auch von sogenannten „Megaplants“) haben eine Gesamtkapazität von rund 6,2 Mio. t Holzpellets pro Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es rund 40 in Betrieb befindliche Pelletwerke. Diese kamen 2021 zusammen auf eine Produktionskapazität von rund 3,6 Mio. t. Mit 320.000 t hat Ante Holz in 2020 die meisten Pellets in Deutschland produziert. Die anderen Pelletproduzenten liegen deutlich darunter.
Zu Envivas Portfolio zählt auch das Werk in Cottondale (Florida), das das Unternehmen 2014 der Green Circle Bioenergy abkaufte. Das Werk kommt auf 760.000 t Jahreskapazität. Verpelletiert wird dort Rundholz. Die Holzpellets werden ab Panama City (Florida) dann in Richtung Europa verschifft. Von der Kapazität her ist das Werk aber nicht ganz Envivas Flaggschiff. Waycross in Georgia kommt auf 800.000 t Kapazität. Dieses Werk wurde von RWE Innogy (heute zugehörig zu E.ON) gebaut. Die Essener stellten es seinerzeit 2014 zum Verkauf. Enviva schlug zu.
Pelletgigant Sovetskiy
Neben den USA ist Kanada der derzeit weltgrößte Exporteur von Industriepellets. Die Kanadier haben allerdings den strukturellen Nachteil bezogen auf den europäischen Markt, dass ihre Werke hauptsächlich an der Pazifikküste liegen, wohingegen die Amerikaner von der Ostküste aus exportieren.
Aber auch auf der anderen Seite des Atlantiks ging es schon ab 2010 noch größer. Der russische Papierproduzent Vyborskaja besitzt in den Wäldern der Oblast Leningrad sowie Pskov Einschlagrechte, die er seit dem Hochfahren der Megaplant Sovetskiy auch zur Produktion von Holzpellets nutzt. Die Kapazitäts-Zielgröße dieses Werks waren seinerzeit 1 Mio. t Holzpellets pro Jahr. Aktuelle Informationen zum Werk und zur Produktion gibt es derzeit nicht.
Um sich eine Vorstellung von der Dimension von Größe zu machen: Das Pelletwerk besitzt einen Holzplatz, der so groß ist wie 25 Fußballfelder. Auf der Fläche können mehr als 700.000 m3 bzw. Festmeter Rundholz gelagert werden. Birke, Espe, Fichte, Kiefer und Tanne werden aus 200 km Umkreis pausenlos geliefert.
Konzentration des Angebots
Vyborgskaja schloss mit dem schwedischen Großhändler Ekman Group einen Zehnjahreskontrakt über die Vermarktung und den Verkauf seiner Pellets aus Sovetskiy ab. Ekman hatte im Gegenzug Vyborgskaja beispielsweise bei der Beschaffung der Gelder zum Bau des Pelletgiganten geholfen. Eine Investitionssumme von 120 Mio. Euro. Dieser Riesenbetrag muss sich nun über den Verkauf möglichst vieler Pellets rentieren. Der Papierproduzent, der als Pelletneuling der Welt gleich das mit Abstand größte Pelletwerk hinstellte, überließ es Ekman, als Anbieter mit bis zu neun Mio. t Pellets in der Hand am Markt in Verhandlungen einzutreten. Darüber entstanden professionelle und globale Angebotskonzentrationen, sowohl von Händler- als auch von Herstellerseite.
Aktuelle Markt-Spots
Die steigenden Strompreise haben den nordwesteuropäischen Energieversorgern einen starken Anreiz geboten, mehr Strom zu erzeugen – auch außerhalb des Geltungsbereichs staatlicher Förderprogramme, beispielsweise in Dänemark, berichtet Argus Media. Argus berichtet weiter, dass viele Unternehmen kurz nach Kriegsbeginn freiwillig angekündigt hätten, jegliche Beschaffung aus Russland einzustellen. Außerdem wurde im März die Aussetzung der Zertifizierung für russische Pellets angekündigt, die größtenteils im April in Kraft traten. Und auch die von der EU Anfang April veröffentlichten Sanktionen, die den Import von Holzprodukten aus Russland oder Weißrussland ab Anfang Juli verbieten, werden greifen.
Die Folge: „Die meisten europäischen Energieversorger suchen nach Pellet-Quellen aus anderen Ländern, vor allem nach zusätzlichen Lieferungen aus Nordamerika, wo die Rohstoffversorgung sicher und stabil ist. Allerdings waren die meisten nordamerikanischen Produzenten bereits vollständig unter Vertrag genommen und auf dem Spotmarkt ist nicht viel Angebot verfügbar. Unternehmen fragen auch nach neuen Beschaffungsländern in Südamerika oder in Südafrika, aber selbst dort gibt es Einschränkungen“, berichtet Analystin Erisa Senerdem: „Die Preise für industrielle Holzpellets befinden sich derzeit auf Rekordniveau. Der Beginn des Krieges in der Ukraine hat den ohnehin schon sehr engen Markt weiter verschärft.“
Europa importierte laut Argus Media im Jahr 2021 rund 2,1 Mio. t Holzpellets aus Russland. Davon wurden laut Senerdem rund 1,3 Mio. t an Energieversorger geliefert, während der andere Teil in den Wohnbereich in Europa floss. Derzeit lägen die Pelletlieferungen aus Russland deutlich unter dem Durchschnitt der letzten Jahre.
Deutschland noch draußen
Und wie sieht es in Deutschland aus? Bislang war Co-Firing hier kein Thema, insbesondere weil es dafür keine staatliche Förderung gibt. Das bestätigt aktuell auch Erisa Senerdem, doch ist das gepaart mit einigen Neuigkeiten: „Wir haben noch keine großen Unternehmen gesehen, die angekündigt haben, auf Biomasse oder Co-Firing umzusteigen. Allerdings gab Enviva gerade in seinen Ergebnissen bekannt, dass sie eine Absichtserklärung mit einem deutschen Energieversorger getroffen haben, um ihm ab 2024 1 Mio. t/Jahr Holzpellets zu liefern, die Kohle ersetzen würden. Das/die konkreten Kraftwerke wurden nicht bekannt gegeben. Es könnte also schon Bewegung in die Sache kommen.“ Weitere Deals deuten sich laut Argus-Recherche auch mit anderen deutschen Unternehmen bereits an.
Marktöffner bleibt Regionalität
Ein Grund zur Panik, dass die Megaplants auch in den deutschen Wärmemarkt einsteigen könnten? Derzeit nicht. Auf dem Boden der Tatsachen des hiesigen Wärmemarkts mit seinen Kleinfeuerungen ist nach wie vor festzustellen, dass die Marktöffner und -erhalter für Holzpellets Qualität, Transparenz und Service sind, das verbunden auch über Nähe. Käme es doch einmal zu Störungen im Betrieb der Heizung, hat ein Kunde, der Pellets von einem Produzenten aus der Region bezieht, in ihm einen direkten Ansprechpartner.
Eine vor einigen Jahren durchgeführte Umfrage des Deutschen Pellet-Instituts (DEPI) unter Anlagenbesitzern fragte nach den Brennstoff-Kaufkriterien. Unter den drei wichtigsten rangierte der Preis erst an dritter Stelle. Wichtiger waren den Kunden die Kaufkriterien Qualität und Regionalität. Regionalität aber kann ein Pellet aus Sovetskyi genauso wenig wie einer aus Cottondale oder Waycross bieten. Dieses Empfinden dürfte sich angesichts der aktuellen Entwicklungen über internationale Energie-Abhängigkeiten nicht verringert, sondern eher verstärkt haben.
Preisspirale trifft auch Pellets
Dennoch ist es so, dass die Sanktionen und Boykotte gegen Russland auch den Holzmarkt treffen. Der Ukraine-Krieg sowie die bereits vorhandenen allgemeinen Energiekosten-Steigerungen zuvor werfen ihren Schatten auch auf den deutschen Endverbraucher-Pelletmarkt. Laut Preisbarometer des DEPI vom Mai sind die Pelletpreise gegenüber April nochmal um 4,3 Prozent gestiegen, auf einen Rekordwert von 393,25 Euro/t im Bundesdurchschnitt. Im Vergleich zum Mai 2021 ist das eine Preissteigerung von 81,2 Prozent. Wie die Entwicklung hier weiter geht, wird man sehen.
Kritiker sehen im Co-Firing eine Verschwendung von Pelletressourcen. Die Befürworter argumentieren mit Blick auf den Klimaschutz naturgemäß dagegen. Tatsache ist, dass der Transformationsprozess bzw. die Abkehr von fossilen Energieträgern unter dem Einfluss des Ukraine-Krieges derzeit politisch beschleunigt wird. Welche Rolle dabei das Co-Firing spielen wird, bleibt abzuwarten. „Es könnten sich einige Länder dafür entscheiden. Es ist aber noch schwer zu sagen, wie viele Anlagen davon tatsächlich auf die Verbrennung von mehr Biomasse umgestellt werden“, sagt Erisa Senerdem.
Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.