Hilfsaktion „Wärme für das Ahrtal“: Das wird dich verändern
Ein Bericht von Dirk Rehfeld, Chefredakteur der Zeitschrift Die Kälte- und Klimatechnik.
Jetzt im Nachgang war es wie eine Fahrt in ein „Kriegsgebiet“, als wir vom 10. bis 14. Oktober als Helfer ins Ahrtal gekommen sind. Die zerstörten Straßen, Häuser und öffentliche Plätze sowie die unter Schlamm begrabenen Autowracks lassen auch drei Monate nach der Flutkatastrophe sofort erkennen, wie stark das Wasser in den Dörfern entlang der Ahr gewütet hat. Es sind Eindrücke, die man schwer vergisst. „Das wird Dich verändern“, haben sie gesagt. Und es stimmt.
Die schlimmen Bilder, die immer noch nicht ganz aus dem Kopf verschwunden sind, sind jedoch untermalt von einer mir bisher nicht bekannten einmaligen Solidarität. Überall herrscht Helferstimmung. Jeder hilft jedem und alle helfen den Betroffenen. Das haben wir bereits am Sonntag bemerkt, als unsere viertägige Reise ihren Anfang nimmt.
Mein Volontär Oliver Barner und ich treffen uns im Verlag in Stuttgart. Der PINK-Nachwuchsanhänger ist voll bis oben hin mit Mono-Split-Klimaanlagen, Montagematerial und Werkzeug gefüllt. Im Vorfeld haben uns Frigotechnik, Fischer, Vogelsang, Aspen, Kältech, Spintge und Midea mit Material versorgt. Spontan hatte die Firma Reuko drei gebrauchte Geräte in den Verlag gebracht. Coole Aktion! Hoch motiviert und gut gelaunt geht die Fahrt Richtung Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Das „Camp der Kälten“ – Die Ahrche
Gegen Nachmittag werden wir bereits erwartet. Ralph Preuß von Kälte-Klima Jeschkeit nimmt uns in Empfang und zeigt uns die Zentrale neben dem Camp, einem ehemaligen Campingplatz umgeben von Bauschutt und unbewohnbaren Häusern direkt an der Ahr.
Danach laden wir mit fünf Leuten unsere mitgebrachten Anlagen in zwei blaue Lagercontainer und schieben den Anhänger in seine Parkposition. Alles etwas eng, aber alles ist da. Jetzt erst einmal ein Bier.
Thomas Janzen von Mammut Kühlanlagen ist unser erster Ansprechpartner neben Sascha Franke und anderen Kälten, die bereits seit Wochen vor Ort sind. Uns wird das Camp gezeigt. Lagerzelte, Toiletten, Duschen und sogar ein Friseur ist stationiert. Besonders auffällig ist das große Versorgungszelt. Hier bekommen bedürftige Einwohner, aber auch alle Helfer, morgens ein Frühstück und mittags sowie abends ein warmes Essen. Getränke sind alle vor Ort. Auch eine Spielecke für Kinder ist vorhanden. Es ist für alles gesorgt und es wirkt wie eine große Familie. Herzlich und mit menschlicher Wärme wird miteinander geredet. Ich bin schon jetzt von der Sensibilität und Hilfsbereitschaft beeindruckt. Hier schlägt auch das Herz der Hilfsaktion „Wärme für das Ahrtal“, die Marco Eckel ins Leben gerufen hat und aktuell von Ulf Berens fortgeführt wird.
Der erste Einsatz
Montagmorgen um 7.30 Uhr stehen wir parat. Thomas erklärt uns, worauf wir zu achten haben. Es gibt nämlich neben den wirklich Bedürftigen auch eine Menge Schnorrer und sogar andere „Clans“, die versuchen, mit Klimaanlagen vor Ort die Situation auszunutzen und Kohle zu machen. Zudem warnt er uns, „die Sache“ nicht zu sehr an uns ran zu lassen.
Wir bekommen unsere Aufträge, laden die Fahrzeuge und fahren zusammen mit Ralph los. Wir bleiben in Bad Neuenahr und fahren in die Altstadt. Optisch wirkt es hier zwar ziemlich angeschlagen aber überall ist Strom vorhanden und überall sind Leute am Arbeiten. Unserem ersten Kandidaten müssen wir leider absagen, weil kein Bedarf besteht. Beim zweiten Einsatz ist es aufgrund der Gegebenheiten besser, ein mobiles Gerät zu geben. Die Häuser dort sind sehr verwinkelt, es gibt kaum Balkone. Der Aufwand, dort eine Splitanlage zu installieren wäre einfach viel zu groß. Es wird ein warmer Raum gebraucht und das geht unter solchen Voraussetzungen am besten mit mobilen Geräten.
Wir fahren zurück ins Camp und holen uns neue Aufträge, die wir im Laufe des Tages abarbeiten. Ralph muss leider erst einmal wieder los, aber heute ist auch meine „Eisprinzessin“ Wolle Schäfer mit Jannik als Helfer im Camp angekommen. Die zwei haben auch gleich richtig mit angepackt und zusammen bereiten wir uns auf den nächsten Tag vor. Es ist bereits dunkel, als alles soweit fertig ist. Der Abend gleicht einem kleinen Kälten-Treff. Wir treffen uns mit rund zehn Kälten am PINK-Anhänger und tauschen uns aus. Reden hilft und das eine oder andere Bier unterstützt das Verarbeiten. Der Grill läuft, die Stimmung ist gut. Ich höre den Gesprächen zu und sauge die Erfahrungen auf, über die die Jungs berichten. Und wir sind brav, denn gegen 22.30 geht das blaue Licht im Anhänger aus. Ich schlafe im Hänger, mein Oli verbringt die Nacht in einem Wohnwagen.
Rein in die Katastrophe
Die nächsten Tage verlaufen alle ähnlich. Es geht es Richtung Mayschoß. Hier sieht die Welt noch völlig anders aus. Die Fahrt führt über eine teilweise unterspülte nur noch einspurig befahrbare „Reststraße“ an unzähligen zerstörten Häusern vorbei und immer wieder fahren wir durchgeschüttelt auf „nacktem“ Erdboden. Die Aufräumarbeiten sind präsent. Ständig kommen uns mit Bauschutt beladene Lkws entgegen. Überall fahren Bagger rum und bewegen Erde, während die Ahr nur noch unschuldig entlang des Weges vor sich hinplätschert. Die Polizei ist auch häufig anzutreffen.
Wir sehen zerschlagene Öltanks, verbogene Heizkörper und viel Elend. Wo früher eine grüne Urlaubsregion war, ist heute die Landschaft immer noch mit braunem Schlamm, Unmengen von Bäumen und Gegenständen überzogen, die einst zum Inventar der Hausbewohner gehörten. Viele Häuser stehen leer, weil die Bewohner wegziehen mussten. An einigen Häusern ist das „Abriss-Kreuz“ zu sehen. Das Wasser ist mancherorts bis 5,80 Meter hoch gestiegen, sodass ein Wohnen wenn überhaupt häufig nur ab dem zweiten Geschoss möglich ist. Und es gibt einige Menschen, die dort unter schwierigen Bedingungen hausen. Ja, hausen.
Das Wetter passt sich der Situation an: Es ist kalt und regnerisch. Immerhin: An den ehemaligen Straßen der Dörfer stehen gemietete Straßenlaternen und sorgen für Licht. Die Trinkwasserversorgung funktioniert über IBC-Containertanks, die man an jeder Ecke genauso oft findet wie Dixi-Toiletten. In fast jedem Dorf steht ein Helferzelt und freiwillige Helfer geben ihr Bestes, um die Versorgung der Bewohner und auch der Helfer zu sichern.
Da steht doch ein Gastank
Den wirklichen Bedarf an einer wärmenden Klimaanlage zu erkennen, ist nicht immer einfach. Es gibt mittlerweile an einigen Häusern stationäre Gastanks, doch die sind meistens leer oder noch nicht angeschlossen. Manchmal ist das Gas auch nicht kompatibel mit dem Brenner, falls es einen solchen noch oder schon wieder gibt. Auch die Stadtwerke, die stolz berichten, dass die Gasleitungen teilweise wieder stehen, vermeiden zu erwähnen, dass der Gasanschluss an der Hauswand wieder endet. Keine Zähler, keine Heizungen. Damit macht der Gasanschluss aktuell auch noch keinen Sinn. Umso mehr sind die Splittis gefragt, denn dafür braucht man nur einen Stromanschluss, der meisten zählerüberbrückt vorhanden ist. Da wo es möglich ist, wird aktuell mit Holz geheizt.
Einmal öffnete uns ein Hausbewohner und wir wurden von einer Wärmewand fast erschlagen. Bedarf? Nein. „Wir wollen die andere Wohnung wieder vermieten. Aber ohne Heizung geht das nicht“, sagte ein anderer. Bedarf? Nein. Was mich persönlich am meisten geärgert hat, sind die Hauseigentümer, die nicht wollen, dass ihr Mieter eine Anlage bekommt, weil dann ja ein Loch in der Wand wäre. Wir haben einige, vor allem ältere Menschen getroffen, die zur Miete wohnen aber keine Erlaubnis ihres offensichtlich verständnislosen Vermieters bekommen haben. Gerade solche Erfahrungen sind schwer zu verdauen. Meistens jedoch ist der Bedarf eindeutig zu erkennen. Und dort legen wir dann los.
Einbau in Rekordzeiten
Wir sind wieder an einem Einsatzort angekommen. Als Team haben wir uns gut organisiert.
Wolle und Oli als gelernte Kälteanlagenbauer installieren die Anlagen. Jannik hat eine „tragende Rolle“ und ich selbst trage zwar auch mit, rede aber primär mit den Betroffenen und spreche – meist laut rufend, weil die Klingel nicht geht – die Nachbarn der umliegenden Straßen an. Viele Einwohner kennen die Aktion nicht, weil sie entweder nicht online sind oder aber keine anderen Wege gefunden haben, auf die Aktion „Wärme für das Ahrtal“ aufmerksam zu werden. Mundpropaganda ist hier das Zauberwort. Ich verteile Flyer in den Helferzelten und gebe die Kontaktinformationen weiter, während „meine Jungs“ an der Anlage bauen. Und das geht recht flott.
Das Außengerät auf den Balkon, das Innengerät dort an die Wand, wo es am schnellsten geht. Wir haben je nach Einsatz 2,5 oder 3,5 kW-Mono-Split-Klima-Anlagen dabei. Kabel, Rohrleitungen, Montagematerial und Werkzeug: Alles rauf in die dritte Etage vorbei an den leeren Wohnungen der unteren Etagen, in denen die Bautrockner seit vielen Tagen brummend ihren Dienst verrichten. Es riecht teilweise noch nach Heizöl und die Feuchtigkeit durchdringt jede Faser unserer Klamotten. Hier zu wohnen ist grenzwertig. Wolle kümmert sich um das Innengerät und die Elektrik. Einmal mussten wir etwas mehr als 40 Meter neues Kabel legen, um aus dem Nachbarhaus den Strom zu bekommen. Oli ist am Außengerät und bördelt meisterhaft.
Es ist so schön zu sehen, wie die Jungs unabgesprochen Hand in Hand zusammen arbeiten. Das Ganze dauert rund 1,5 Stunden. Es wird kein Wert auf Schönheit und Ästhetik gelegt. Die Anlage soll funktionieren und dem Betroffenen einen warmen Raum geben. Die Bewohnerin wird nach der Inbetriebnahme in die Anlage eingewiesen und schon packen wir wieder ein. Wir verabschieden uns und nehmen die dankbaren Worte der Bewohnerin mit. Tränen in den Augen erwähne ich nicht. Nachdem die Aufträge alle abgearbeitet sind, kommen wir gegen 20.30 wieder im Camp an. Fertig, aber froh. Es gibt sogar noch etwas Warmes zu Essen. Feierabendbierchen im Anhänger, Licht aus, schlafen.
Unser Branche ist klasse!
Es ist mittlerweile Mittwoch. Ich telefoniere mit Ralf Kauke. Er liefert heute Vormittag noch 16 mobile Anlagen ins Camp. Auch Daniel Rosenberg hat gefühlt 100 Mettbrötchen inklusive einem Eimer geschnittener Zwiebeln an Bord. Schön, ihn damit zu sehen. Er weiß, was Handwerker wollen ;-). Diesmal ziehen wir alle gemeinsam los und verbauen Anlagen, sprechen mit Betroffenen und versuchen, Hilfe zu leisten.
Unsere Branche bringt Spaß, denn wir haben unglaublich viele helfende Menschen an Bord, die das Projekt unterstützen. Übergeordnet darf ich sagen, dass sehr viele Hersteller von Klimaanlagen und Großhändler, teilweise auf Wunsch unerkannt, bereits sehr viele Anlagen und Montagematerial zur Verfügung gestellt haben. An dieser Stelle ein richtig großes Dankeschön an alle Beteiligten.
Seitdem Marco Eckel die Aktion am 26. August ins Leben gerufen hat, wurden Stand 13. Oktober rund 385 Anlagen verbaut. Wenn Sie diese Zeilen lesen, sind es bereits 515 Anlagen. Dem gegenüber stehen rund 3500 Haushalte, die ohne Heizung noch im Kalten stehen. Es reicht also noch nicht, was die 35 aktiven Fachbetriebe mit den 300 Kälteanlagenbauern geschafft haben.
Der Winter naht
Ende Oktober gab es noch eine große Aktion, an der massenhaft Kälten teilgenommen haben. Die Aktion „1-Raum-Heizung für 0,- Euro“ – Wärme für das Ahrtal muss weitergehen, bis wir guten Gewissens sagen können, dass alle Betroffenen mit wenigstes einem warmen Raum versorgt sind. Wenn nicht wir, wer dann kann so was verwirklichen? So soll die Aktion weitergehen, wenn ausreichend Anlagen und Montagematerial sowie Manpower bereitstehen.
Die nächsten Schritte
Damit wir auch weiterhin eine sinnvolle Hilfestellung geben und Wärme in das Ahrtal bringen können, sind alle an unserer Branche Beteiligten weiterhin gefragt.
Die Hersteller von Klimaanlagen werden gebeten, noch einmal ihre Lager zu durchforsten. Bestimmt finden sich noch ein paar Anlagen, die ins Ahrtal gebracht werden können. Unsere Großhändler sind noch einmal aufgerufen, ebenfalls die Regale nach brauchbarem Material zu durchsuchen und zusammenzustellen. Die Fachbetriebe sind weiterhin aufgefordert, Manpower zu stellen. Eine Kombination aus allem ist natürlich möglich und gewünscht.
Bitte kontaktiert Ulf Berens unter ahrtal@kaelte-berens.de und stimmt Euch ab. Der Ulf koordiniert das Ganze und stellt es in einen strukturierten Zeitplan, damit die Umsetzung nicht chaotisch verläuft. Jede Anlage, jeder Meter Kältemittelrohr, jeder Kälteanlagenbauer ist wichtig und hilft. Auch Geldspenden sind prima, weil damit dann das entsprechende Material gekauft werden kann. Kein Euro geht irgendwo anders hin als in die notwendigen kältetechnischen Komponenten. Die Aktion muss weitergehen, bis alle versorgt sind. Der Einsatz „unserer Jungs“ zahlt sich aus in Dankbarkeit der Betroffenen und dem guten Gefühl, aktiv vor Ort jemanden wirklich geholfen zu haben.
Das hat verändert
Noch immer gehen mir die Bilder aus dem Katastrophengebiet nicht aus dem Kopf und immer wieder erwische ich mich dabei, wie einzelne Sequenzen an meinen Augen vorbeiziehen. Aber der „Einsatz“ hat unglaublich viel Spaß gemacht. Und ich habe neue Kälten kennen gelernt. Ich kann nur jedem Kälteanlagenbauer empfehlen, dort ein paar Tage mitzumachen. Eine neue Erfahrung und ein neues Gefühl. Ob die vier Tage vor Ort an der Ahr mich verändert haben? Ja, haben sie. Wie und in welcher Weise, ist privat. ;-).
Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie gesund durch den Winter kommen und bald wieder eine lebenswerte Umgebung haben. Auch, wenn es wohl noch Jahre dauern wird, haben wir den starken Willen der Betroffenen erkannt, der sie durchhalten lässt. Ich ziehe meinen Hut vor jedem, der dort überlebt hat und wieder ganz von vorne anfangen muss.
Diesen Beitrag, ein Video sowie weitere Fotos finden Sie auch im KältenKlub. Schauen Sie dort rein und kontaktieren Sie den Ulf Berens.
Dieser Artikel von Dirk Rehfeld ist zuerst erschienen in KK Kälte und Klimatechnik Ausgabe 11/2021.