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Enthalpierückgewinnung zwischen örtlich getrennten Luftströmen

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Bild 1: KVS-Enthalpierückgewinnung: zwei Membranwärmeübertrager in Flüssigsorptionskreislauf (Schema)

Zu trockene Luft erhöht das Infektionsrisiko für Atemwegserkrankungen. Die weltweit grassierende Corona-Pandemie leistet der medizinischen Empfehlung einer Mindestluftfeuchte von 40 Prozent und dem damit verbundenen Bedarf an Luftbefeuchtungssystemen begründeten Vorschub. Als gewichtigstes Gegenargument gegen den Einsatz von Befeuchtungssystemen gilt der Energiebedarf.

Aufgrund der mit etwa 2260 kJ/kg hohen Verdampfungswärme des Wassers wird beispielsweise für eine isotherme Befeuchtung einer festgelegten Luftmenge um Δx = 4,0 g/kg dieselbe Energiemenge (9,04 kJ/ kgLuft) benötigt, wie zur Erwärmung derselben Luftmenge (ohne Änderung des Feuchtegehalts) um 9,0 K. Das ist erheblich.

Feuchterückgewinnung: Marktlücke bei örtlich getrennten Luftströmen

Wärmerückgewinnungssysteme mit Feuchteübertragung zwischen Außen- und Abluftseite können die Diskussion um das Für und Wider der Luftbefeuchtung nicht gänzlich auflösen. Sie können ausschließlich einen Anteil der Feuchtigkeit (besser Wasserdampfmenge) „zurückgewinnen“, die von einer Feuchtequelle vorher in den Bilanzraum eingebracht wurde.

Erfahrungsgemäß genügt der Feuchteeintrag durch Personen oder Pflanzen bei weitem nicht, um dauerhaft (also auch im Winter) Raumluftfeuchten ≥ 40 % r. F. zu realisieren.

Dennoch haben sich sogenannte Enthalpieübertrager auf dem Markt etabliert. Sie ergänzen die Feuchtebehandlung durch Luftbefeuchter und reduzierenden in dieser Konstellation signifikant den Energiebedarf der Luftbefeuchtung.

Alle auf dem Markt etablierten WRG-Systeme mit Feuchteübertragung setzen jedoch voraus, dass sich Zu- und Abluftstrom innerhalb des Gerätes kreuzen (Platten-Wärmeübertrager) oder in unmittelbar benachbarter Anordnung eine rotierende Speichermasse durch beide Luftströme bewegt wird.

Bisher nicht auf dem Markt verfügbar sind praktikable Enthalpierückgewinnungssysteme für Anlagenkonzepte mit örtlicher Trennung von Zu- und Abluft – beispielsweise in Form von Kreislaufverbundsystemen.

Diese Marktlücke zu schließen, ist für alle Lüftungs- und Klimatisierungsaufgaben (Büro-, Arbeits-, Wohngebäude) bis hin zur Prozesslufttechnik interessant. Besonders profitieren würden

  • zentrale oder dezentrale RLT-Konzepte mit getrennten Zu- und Abluftgeräten oder
  • RLT-Anlagen mit belasteter Abluft (Werkstätten, Labore,…)

Lösungsansatz: textile Wärme- und Stoffübertrager mit semipermeablen Membranen

Das ILK Dresden hat 2017 das Projekt „Textile Wärmeübertrager zur Feuchterückgewinnung in KVS-Systemen“ initiiert, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird.

Ziel ist die Entwicklung mit semipermeablen Membranen ausgerüsteter textiler Wärme- und Stoffübertrager, welche – integriert in ein Kreislaufverbundsystem (KVS) – von einem Flüssigsorptionsmittel durchströmt werden und somit einen Stofftransport zwischen örtlich getrennten Luftströmen ermöglichen (Bild 1).

Während das Sorptionsmittel gemäß den Triebkräften im Flüssigsorptionsprozess (Wasserdampfpartialdruckdifferenzen) abluftseitig Wasserdampf aus der Luft bindet (Absorption), gibt es selbigen an den trockenen Außenluftstrom ab (Desorption). Gleichzeitig nimmt das Sorptionsmittel abluftseitig sensible Wärme auf und gibt sie außenluftseitig ab.

Neben der konstruktiven Entwicklung über die messtechnische Erprobung bis hin zur Systemintegration strebt die Entwicklung auch die Einhaltung von Öko-Designkriterien an.

Bild 2: Zusammensetzung der Lochbalkenverteiler

Konstruktive Entwicklung

Die konstruktive Entwicklung der textilen Wärmeübertrager baut auf langjährig erarbeitetem Know-how des ILK Dresden auf dem Gebiet der Flüssigsorption über Membranen auf. Auf die Deckflächen mehrdimensionaler durchströmbarer Abstandstextilien (Materialstärke < 1,0 mm) werden wasserdampfpermeable Membranen nebst Stützvlies aufkaschiert.

Aus zugeschnittenen sogenannten Mehrlagenlaminaten mit abgedichteten Rändern sowie Medienanschlüssen entstehen Membransegel. Mehrere (mit ≤ 4,0 mm) parallel angeordnete Membransegel bilden einen einfachen (2-fluidigen) Membranwärmeübertrager.

Analysiert wurden auch Konstruktionsentwürfe, in denen Wärme- und Feuchterückgewinnung funktionell voneinander getrennt werden, indem zusätzlich ausschließlich wasserdurchströmte Wärme­übertragerflächen ergänzt werden (3-fluidige textile Wärmeübertrager).

Diskutiert wurde der Einsatz von Kapillarrohrmatten oder Abstandstextilien mit eingearbeiteten Schläuchen.

Bild 3: Versuchsanordnung und Schaltbild: 2-fluidiges KVS-System mit 2-fluidigem Membranwärmeübertrager einschließlich Luftkonditionierung der Außen- und Abluftbedingungen

Unter der Maßgabe, die textilen Wärmeübertrager möglichst im Gegenstromprinzip beaufschlagen zu können, besteht eine der größten Herausforderung in der gleichmäßigen Versorgung der eng gestapelten Membransegel mit dem Flüssigsorptionsmittel. In Ermangelung an verfügbaren passgenauen Mikroverteilern wurden selbige entwickelt:

Die Lochbalkenverteiler (Bild 2) ermöglichen die Anströmung von 50 Membransegeln mit 4,0 mm Mittenabstand. Die einzelnen Medienanschlüsse der Membransegel können in die Randabdichtung integriert werden.

Textilphysikalische Materialkenndaten (Wasserdampfdurchlässigkeit, Porosität, hydraulischer Durchmesser, Strömungs­widerstand…) und Durchströmungseigenschaften bilden die Basis zur Dimensionierung der textilen Membranwärmeüber­trager.

Bild 4: Übertragungsgrade in Abhängigkeit vom Kapazitätsstromverhältnis Sole/Luft

Einfaches (2-fluidiges) Kreislaufverbundsystem

Zur Erprobung der Wärme- und Feuchteübertragung wurde ein Versuchsstand mit einfachem (2-fluidigen) Kreislaufverbundsystem mit folgenden Konfigurationen je Luftstrom aufgebaut (Bild 3):

  • 50 m³/h Volumenstrom
  • 15 m² aktive Membranfläche (7,5 m² textiles Mehrlagenlaminat)
  • 50 Membransegel (Materialstärke jeweils 0,85 mm), Mittenabstand 4,0 mm
  • Kanalmaß (H x B): 300 x 200 mm; Durchströmlänge 500 mm

Nach umfangreicher Ausstattung mit Messtechnik folgte die Durchführung mehrerer Messkampagnen.

Messtechnische Analysen

In einer ersten Messkampagne wurden zunächst die Übertragungsgrade für Temperatur, Feuchte und Enthalpie bei festgelegten Luftkonditionen (jeweils 50 m³/h; tAU = 8,0 ± 0,5 °C; xAU = 3,0…4,5 g/kg; tAB = 27 ± 0,5 °C; xAB = 15…17,5 g/kg) aber veränderlichem Sorptionsmittelvolumenstrom ermittelt (Bild 4).

Die Messergebnisse bestätigen einen signifikanten Wärme- und Stofftransport zwischen den örtlich getrennten Luftströmen.

Der auf die Außenluftseite bezogene Temperaturübertragungsgrad (Rückwärmzahl) liegt bei Kapazitätsstromverhältnis Sole/Luft von 1,1 bei knapp 0,5. Für eine Erhöhung der Temperaturübertragung auf 0,6 genügt die Verdopplung des Soledurchflusses.

Eine weitere Messkampagne mit jeweils statisch festgelegten Eintrittsparametern analysierte das Verhalten der Übertragungsgrade bei unterschiedlichen Temperatur- aber konstanten Feuchtedifferenzen zwischen Außen- und Abluft.

Aus den Messergebnissen geht hervor, dass sich mit sinkender Temperaturdifferenz der Temperaturübertragungsgrad verringert, während gleichzeitig der Feuchteübertragungsgrad ansteigt.

Im Bereich isothermer Luftzustandsänderungen wird mit ηx = 0,60 der höchste Feuchteübertragungsgrad gemessen. Der Enthalpieübertragungsgrad bleibt hingegen temperaturunabhängig konstant und liegt bei ηh = 0,51 ± 0,02.

Den physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgend, strebt der Flüssigsorptionsprozess immer das Erreichen eines Sorptionsgleichgewichtes an.

Den Triebkräften (Temperaturdifferenz und Wasserdampfpartialdruckdifferenz zwischen Luft und Sorptionsmittel) folgend, stellt sich witterungsabhängig ein Konzentrationsniveau im Sorptionsmittel ein. Selbiges schwankt durch den Feuchte­transport zwischen Außen- und Abluft geringfügig um ein bis zwei Prozentpunkte.

Für eine Langzeitmessung zum dynamischen Betriebsverhalten der entwickelten Wärme- und Stoffübertragung im Kreislaufverbundsystem wurden Luftvolumenströme mit je 50 m³/h und das Kapazitätsstromverhältnis zwischen Sole und Luft mit 2,0 konstant gehalten, während sich die luftseitigen Eintrittszustände dynamisch veränderten.

Die Messergebnisse bestätigen eine dauerhaft konstante Enthalpieübertragung (ηh = 0,55), das von der Temperaturdifferenz zwischen Ab- und Außenluft abhängige gegensätzliche Verhalten von Temperatur- und Feuchteübertragungsgrad, sowie das witterungsbedingte Schwanken des Konzentrationsniveaus der Sole (28…33 Prozent).

Trockenere und von Temperaturspitzen geprägte Außenluftbedingungen bewirken dabei eine Aufkonzentration, feuchtere Tage ein Absenken des Konzentrationsniveaus.

Bild 5: Wärme- und Feuchterückgewinnung mit geregelter Zulufttemperatur auf 23,0 °C

Thermische Zusatzfunktionen

Der besondere Vorteil von Kreislaufverbundsystemen im Allgemeinen besteht in der Möglichkeit zur Ein- oder Auskopplung von Wärme oder „Kälte“ in das Wärmeträgerfluid. Auf diesem Weg kann der Außenluftstrom bereits über die Register des Kreislaufverbundsystems auf den Sollwert der Zulufttemperatur temperiert werden.

Um diese Form der sogenannten mehrfachfunktionalen Nutzung auch am neuen Kreislaufverbundsystem mit Feuchterückgewinnung via textile Wärmeübertrager zu erproben, wurde ein Plattenwärmeübertrager unmittelbar vor Eintritt in den zuluftseitigen Membranwärmeübertrager eingebaut.

Ein Heizwasserkreis mit drehzahlregelbarer Dosierpumpe und ein motorgesteuertes 3-Wegeventil im Heizwasserkreis regulieren den Wärmeeintrag in den Solekreis und folglich die Temperatur der Zuluft.

Mit dem Ziel, die automatische Zulufttemperaturregelung mittels Wärmeeintrag in den Solekreis zu testen, wurde eine weitere Langzeitmessung durchgeführt.

Im Sinne praxisrelevanter Prüfbedingungen wurden außenluftseitig Temperaturschwankungen zwischen 5 und 20 °C (ohne Feuchteanforderung) simuliert. Abluftseitig wurden natürliche Temperaturschwankungen der Versuchsstandsumgebung (21…27 °C) genutzt und Feuchtegehalte um 8 g/kg (Richtwert) eingestellt.

Zu unveränderlich festgelegten Vorgaben gehörten der Zulufttemperatursollwert von 23,0 °C sowie die Volumenströme (je 50 m³/h Luft, 32 l/h Sole). Die Regelparameter des Stellmotors konnten zu Optimierungszwecken im Messzeitraum angepasst werden.

Die Messergebnisse (Bild 5) zeigen, dass eine Wärme- und Feuchterückgewinnung mit gleichzeitiger gezielter Temperierung der Zuluft möglich ist. Anders als ohne Feuchterückgewinnung kann bei ausgeregelter Zulufttemperatur so viel Feuchtigkeit aus der Abluft übertragen werden, dass die Zuluftfeuchte über 30 Prozent liegt.

Voraussetzung ist eine Feinjustierung der Regelparameter. Momentaufnahmen (hx-Diagramm) zeigen die Einhaltung der Zulufttemperatursollwerte für sehr unterschiedliche Außenlufttemperaturen. Die Feuchteübertragungsgrade betragen:

 ηx,Szenario 1 ≈ 0,67 und ηx,Szenario 2 ≈ 0,48.

Thermisches Verhalten

Messungen zur Systemträgheit zeigen eine Korrelation der Außen- und Zulufttemperaturtrends mit einer zeitlichen Verschiebung, die etwa dem Austauschgrad entspricht. Der Austauschgrad wiederum wird maßgeblich beeinflusst vom Füllvolumen im Solekreis (MWÜ, Rohrleitung, Tank) und dem Solevolumenstrom.

Eine Verkürzung der Systemträgheit (bei genannten Messungen etwa 45 min) erfordert die Reduzierung des umzuwälzenden Volumens im Sorptionsmittelkreis. Entsprechende Lösungsansätze hat das ILK Dresden bereits erarbeitet.

Betriebssituationen mit sehr warmer feuchtebeladener Ab- und sehr kalter Außenluft bewirken im 2-fluidigen Kreuzström-MWÜ ein lokales Kondensationsrisiko (Kreuzungsbereiche Außenluft/Soleeintritt bzw. Abluft/Soleeintritt).

Im Gegenstromprinzip arbeitende MWÜ könnten dieses Risiko minimieren. Ein Kristallisationsrisiko des Sorptionsmittels im Betrieb der Enthalpierückgewinnung ist bei Konzentrationen zwischen 25 und 32  Prozent nicht zu erwarten. Zur Sicherheit erfolgt in Nichtnutzungszeiten eine Entleerung des Solekreises in den Tank.

Gesamtergebnis

Die Funktionalität der Wärme- und Feuchterückgewinnung mit textilen Wärmeübertragern in einem 2-fluidigen sorptionsmitteldurchströmten Kreislaufverbundsystem konnte erfolgreich nachgewiesen werden. Gleiches gilt für die Einkopplung von Wärme für die Zulufttemperaturregelung.

Auch die erreichten thermo­dynamischen und strömungstechnischen Parameter sind positiv zu bewerten (Tabelle 1).

Wenngleich die zu Projektbeginn definierten Zielvorgaben (Ökodesignkriterien) mit dem 2-fluidigen System zwar noch nicht ganz erfüllt werden, können sich der Ergebnisse mit den zu Projektbeginn definierten Zielvorgaben und mit aktuellen normativen Anforde­rungen messen lassen.

Im Ergebnis der Dauerversuche unter praxisrelevanten Bedingungen ist zu beobachten, dass die Übertragungsgrade – insbesondere der Feuchteübertragungsgrad – fast dauerhaft relative Feuchten der Zuluft über 30 Prozent bewirkten. Ohne Feuchteübertragung wären in mehr als 60 Prozent des Messzeit­raumes trockenere Luftzustände gemessen worden.

Der Grundstein zur Schließung der Marktlücke einer Wärme- und Feuchterückgewinnung zwischen örtlich getrennten Luftströmen ist gelegt. Mit ersten Optimierungsmaßnahmen konnte das ILK Dresden bereits beginnen:

  • Ausführung der textilen Membran-Wärmeübertrager als Gegenströmer
  • Reduktion thermischer Verluste und langer Austauschzeiten durch Minimierung des umzuwälzenden
  • Füllvolumens im Sorptionsmittelkreis
  • Höhere Übertragungsgrade durch Realisierung als 3-fluidiges Kreislauf­verbundsystem mit 3-fluidigen Wärmeübertragern

Um langfristig einen wirtschaftliche Betrieb ermöglichen und sich auf dem Markt etablieren zu können, müssen Konstruktion, Herstellung und Fertigung überarbeitet werden.

Besonders essentiell sind hier Fragestellungen zur Langzeitstabilität der Materialien und automatisierte Fertigungsmethoden bzw. Montagestrecken für Membransegel, Medienanschlüsse und ganze Membranwärmeübertrager.

Ausblick

Mit der Ergänzung um thermische Zusatzfunktionen können vor allem 3-fluidige textile Wärme- und Stoffübertrager im KVS-System zur multifunktionalen Komponente ausgebaut werden.

Potenziell sind neben der Wärme- und Feuchterückgewinnung dann alle thermischen Zustandsänderungen (Heizen, Kühlen, Entfeuchten, Befeuchten) außenluft- und abluftseitig unabhängig voneinander realisierbar. Temperatur- und Feuchteregelkreis können unabhängig voneinander agieren.

Auf konventionell übliche Nachheiz- oder Kühlregister könnte verzichtet werden. Interessant dabei ist, dass bei der Luftentfeuchtung auch auf den Flüssigsorptionsprozess – also die sorptive und kondensatfreie Luftentfeuchtung – zurückgegriffen werden kann.

Es entstehen ganzjährig nutzbare Synergieeffekte, die den Einsatz regenerativer Energien fördern und ressourcenschonend sowie energieeffizient funktionieren – nachhaltig eben.

www.ilkdresden.de

Dieser Artikel von Hannes Rosenbaum ist zuerst erschienen in Die KÄLTE + Klimatechnik 09/2020. Dipl.-Ing. (FH) Hannes Rosenbaum arbeitet bei der ILK Dresden gGmbH im Hauptbereich Luft- und Klimatechnik.

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