Gleichzeitig Model- und Handwerker - wie geht denn das?
Wer sich für Mode interessiert, könnte das Gesicht von Sandra Hunke schon einmal gesehen haben. Denn 2016 und auch 2017 war sie auf der Berlin Fashion Week als Model für die Kollektion von Lena Hoschek zu sehen. Doch Sandra Hunke kennen auch Leute, die mit Mode u. U. rein gar nichts am Hut haben und stattdessen im Örtchen Schlangen bei Paderborn einfach nur ihre Heizung repariert haben möchten.
Sandra Hunke ist 25, schlank, hat rote Haare und eine hinreißende Zahnlücke. Auf ihrem Instagram-Profil ist sie zu sehen, wie sie mit ihrem Pferd kuschelt oder posiert, wie sie auf Laufstegen Mode präsentiert oder – eine Heizungsanlage montiert. Denn Sandra Hunke ist auf beeindruckende und liebenswerte Art einfach alles: Pferdemädchen, Model und gelernte Anlagenmechanikerin.
Vom Maurer über Maler und Lackierer zur Anlagenmechanikerin
Der Tochter eines Fliesenlegers und einer Schneiderin war schon früh klar, dass sie nach dem Realschulabschluss einen Handwerksberuf erlernen möchte: „Ich habe als kleines Kind schon viel in der Werkstatt gemacht. Es hat mir gefallen, mit meinen Händen etwas zu erschaffen, deshalb war für mich klar, dass ich einen Handwerksberuf lernen möchte.“ Über verschiedene Praktika von Maurer bis Maler und Lackierer fand sie heraus, dass ihr der Beruf der Anlagenmechanikerin am besten gefällt. Nach einem einwöchigen Praktikum wurde ihr eine Ausbildungsstelle angeboten. Seit inzwischen sieben Jahren arbeitet sie in diesem Betrieb.
Dass Sandra Hunke aber noch weitere Talente hat, zeigte sich schnell, als sie an der Wahl zur „Miss Handwerk“ teilnahm. „Dort habe ich das Modeln für mich entdeckt“, erzählt sie. „Da habe ich gesehen, dass es mir sehr viel Spaß macht, mich vor der Kamera zu bewegen. Durch die mediale Aufmerksamkeit dort kamen dann Model-Agenturen auf mich zu und wollten mich unter Vertrag nehmen.“ Ganze drei sind es inzwischen, die ihr Laufsteg- und Fotojobs vermitteln. Erst kürzlich war sie für ein Shooting in Barcelona.
„Bei den Modeljobs wird man zurechtgemacht und geschminkt, hier wird gezupft und da getupft. Da bin ich dann immer richtig Mädchen, richtig Prinzessin“, lacht die Allrounderin. „Ich war nach der Reise nach Barcelona dann am Montag aber auch froh, dass ich wieder meinen Zollstock in die Tasche packen und mich auspowern konnte."
"Sie wissen, dass ich meine Arbeit gut mache"
Und das tut sie nach Herzenslust, auch wenn sie weiß, dass sie es in einer Männerdomäne mitunter schwerer hat als ihre Kollegen. „Ich erlebe natürlich, dass Kunden manchmal erst einmal misstrauisch sind. Aber da beiße ich mich durch“, beschreibt Sandra Hunke ihren Arbeitsalltag. „Nach ein paar Minuten sehen sie ja immer, dass ich es kann, und dann vertrauen sie mir auch.“ Dennoch sei es eine Herausforderung, sich jedes Mal aufs Neue zu beweisen. „Das muss einem aber auch klar sein, wenn man als Frau einen ‚Männerberuf‘ wählt. Inzwischen habe ich aber auch Stammkunden, bei denen ich den Kundendienst mache. Die freuen sich immer, wenn ich komme, weil sie wissen, dass ich meine Arbeit gut mache.“
Und dabei beweist Sandra Hunke jeden Tag Intelligenz: „Ich bin zwar eine Frau und deshalb nicht so stark wie ein Mann. Vieles kann ich aber mit Köpfchen lösen“, erzählt sie. „Man muss ja nur ein wenig nachdenken, wie man seine Kraft anwendet, Hebelwirkungen nutzt etc. Zum Beispiel beim Lösen von Verschraubungen: Dann nehme ich einfach eine größere Pumpenzange als mein Chef, mache mir ein Rohr dran und stelle mich drauf. Das klappt schon alles.“
Doch an manchen Punkten muss auch die Powerfrau oder – wie sie sich nennt – das „Baumädchen“ auf die Unterstützung ihrer männlichen Kollegen zurückgreifen: „Wenn eine schwere Badewanne in den fünften Stock soll, kriege ich das natürlich nicht hin. Das verlangt aber auch niemand.“
Die beiden so unterschiedlichen Welten von Sandra Hunke, die lediglich in Teilzeit als Anlagenmechanikerin arbeitet, lassen sich gut miteinander vereinbaren, erzählt sie: „Montags und dienstags sowie jeden zweiten Mittwoch bin ich wirklich nur auf der Baustelle und konzentriere mich auch nur darauf, damit ich zu 100 Prozent bei der Sache bin. Den Rest der Woche pflege ich meine Social-Media-Profile auf Facebook und Instagram oder bin auf Model-Jobs.“
Spuren, die beseitigt werden müssen
Und selbst, wenn es auf der Baustelle mal rauer zugeht und die Arbeit Spuren hinterlässt, bleibt die 25-Jährige entspannt und findet Lösungen: „Bis jetzt hatte ich zum Glück nur blaue Flecken. Das kann man alles wegschminken und verstecken. Einen Modeljob musste ich deshalb noch nicht absagen“, erzählt sie. „Ich bin da auch nicht so empfindlich. Ich arbeite ohne Handschuhe. Wenn mir ein Fingernagel abbricht, dann ist er eben ab.“
Dass ihr Herz für beide Jobs schlägt, glaubt man Sandra Hunke sofort. Aber hat sie nicht vielleicht doch einen Favoriten, eine Aufmachung, in der sie sich am liebsten sieht? „Ich will wirklich alles nicht missen“, versichert sie. „In Bauklamotten, ungeschminkt nur mit einem Zopf oder in Designerkleidung, aufgestylt und mit High Heels – da könnte ich mich nicht entscheiden. Ich fühle mich in allen Sachen einfach pudelwohl.“